Titelstory Interview mit Sabine Kricheldorff

Sabine Kricheldorff

Sabine Kricheldorff kam 2003 zum ersten Mal mit der KEG Deutschlands in Kontakt und schob die Gründung eines Landesverbandes in Schleswig-Holstein noch im gleichen Jahr engagiert mit an. Sie war von Beginn an Mitglied im Vorstand und übernahm 2005 den Landesvorsitz der CEG Schleswig- Holstein. Von 2008 - 2016 war sie außerdem im Präsidium der KEG tätig. Sie kommt ursprünglich aus Baden-Württemberg, lebt aber seit 1984 in Lübeck und inzwischen in Bad Schwartau. Von 1985 bis Ende 2024 leitete Frau Kricheldorff eine katholische Kita, die mehrfach erweitert und seit 2010 zusätzlich um ein Familienzentrum ergänzt wurde. Sie ist seit Januar 2025 im Ruhestand, aber weiterhin an diversen Stellen aktiv. Durch den Wechsel ihres Lebensortes wurde Sabine Kricheldorff sehr früh bewusst, dass sich die Rahmenbedingungen für Kitas in den einzelnen Bundesländern unterscheiden und sie engagierte sich bereits nach kurzer Zeit im Norden auf politischer Ebene für Kinder, Kitas und Fachkräfte. Ihr ist bis heute wichtig über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich gemeinsam für gute Bedingungen in allen Bildungsbereichen einzusetzen.

Das brachte mich manchmal zum Verzweifeln:

Zum Verzweifeln bringt mich bis heute, dass trotz detaillierten, wissenschaftlich fundierten Kenntnissen aus der frühkindlichen Hirnforschung und umfassenden sozioökonomischen Prognosen zu wenig in die frühkindliche Bildung investiert wird. Bis heute wird nicht ernst genug genommen, welch große Bedeutung früh Erlebtes und Gelerntes für den lebenslangen Erwerb neuen Wissens hat. Es wird immer noch verkannt, dass sich gute Bedingungen im Krippen- und Elementarbereich positiv auf die ersten Grundschuljahre auswirken und für manche Kinder die einzige Chance auf einen Schulabschluss und eine sich anschließende Ausbildung sind. Nur wenn das gelingt, können sie sowohl ihr eigenes Leben finanzieren als auch ihren Beitrag für die Aufrechterhaltung unseres Sozialsystems leisten. Viele der jetzigen Probleme hätten gemindert werden können, wenn man früher auf kompetente und engagierte Fachleute gehört hätte, die diese Auswirkungen seit Jahrzehnten prognostizieren.

Ausgleich finde ich ...

bei langen Spaziergängen, beim Singen mit meinem tollen Gospelchor, beim privaten Austausch mit Freunden, beim Musikhören und dem Gestalten von schönen Dingen.

Meinem Beruf bleibe ich auch im Ruhestand verbunden durch …
  • einen Minijob in einem Familienzentrum, den ich derzeit noch ausüben darf

  • Kurse, die ich für eine Volkshochschule gerade plane

  • mein weiterhin vorhandenes Interesse an allen pädagogischen Themen und

  • die ehrenamtliche Tätigkeit als Landesvorsitzende der CEG Schleswig-Holstein.

Besonders gerne arbeite ich mit ...

... anderen zusammen. Ich bin schon immer eine überzeugte Teamplayerin gewesen und liebe es, in Gruppen aller Größen tätig zu sein. Ich finde es toll, wenn die Ideen von vielen Menschen zusammenkommen und sich daraus Neues entwickelt. Mir ist wichtig, dass jede und jeder seine Fähigkeiten und seine Individualität einbringt und damit nicht nur ein gemeinsames Projekt umgesetzt wird, sondern auch alle an sich selbst wachsen können.

Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?

Ich würde gerne die Fähigkeit besitzen, mich für ein paar Stunden in eine vergangene Zeit zurück zu versetzen. Ich besuche gerne alte Städte und würde mir wünschen, hin und wieder in der seinerzeit genutzten Kleidung durch die damaligen Straßen und Gassen zu schlendern und in das Leben und Empfinden der damals lebenden Menschen einzutauchen.

Meine Wünsche für die Kita der Zukunft:

Engagierte Fachleute, die sich die Begeisterung und die Kraft für den Umgang mit Kindern über viele Jahre erhalten und sich über die Originalität des Einzelnen freuen können. Außerdem würde ich allen Kitas wünschen, dass ihre Leitungskräfte mehr Zeit haben, um ihre Teams im pädagogischen Bereich besser begleiten und unterstützen zu können. Zu viele verwaltungstechnische und hausorganisatorische Themen landen auf den Schreibtischen der Leitungskräfte. Damit wird viel Zeit verschwendet, die eine Kitaleitung besser für die Weitergabe ihrer pädagogischen Kompetenz nutzen könnte.

Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?

Ich habe vor einigen Jahren ein berührendes Zitat von Albert Einstein entdeckt, das mein tiefes und anspruchsvolles Verständnis von Freundschaft beschreibt. Es lautet: "Ein Freund ist ein Mensch, der die Melodie Deines Lebens kennt und sie Dir vorspielt, wenn Du sie vergessen hast." Schöner und treffender kann ich es nicht formulieren.

Was kann die Gesellschaft, wie kann jeder Einzelne Kindern Teilhabe und Verantwortung vorleben?

Damit Kinder Verantwortung übernehmen können, ist es wichtig, dass sie sich selbst als wichtiges und geschätztes Mitglied in ihrem Umfeld (Familie, Kita, Schule, Sportverein …) erleben. Nur wer Achtung erfährt, wird andere achten. Wir alle können dazu beitragen, Kindern und Jugendlichen dieses Empfinden zu vermitteln, indem wir Interesse an ihnen und ihren Themen zeigen, sie ernst nehmen und ihre Meinung hören. Sich sicher fühlen können, eigene Ideen einbringen dürfen, Vertrauen zu erfahren sind dafür wichtige Voraussetzungen. Natürlich werden manche mehr Begleitung dabei brauchen als andere, aber gerade wir als Pädagoginnen und Pädagogen sollten den Blick dafür haben, Kindern altersund entwicklungsadäquat Verantwortung zu übertragen, die sie nicht überfordert, sondern der sie sich gewachsen fühlen und aus der sie gestärkt, selbstbewusst und motiviert für Weiteres hervorgehen. Gehen wir mit gutem Beispiel voran und machen wir Mut. Vielen wird zu häufig gesagt was sie nicht können und das wird sie und uns nicht weiterbringen.

Ihre liebsten Romanhelden?

Ich hatte stets Sympathie für alle, die mit Pfiffigkeit ihre nicht gerade beneidenswerten Lebenssituationen zum Guten für sich und andere wenden. Ich mochte als Kind das Märchen vom Tapferen Schneiderlein, Geschichten von „Michel aus Lönneberga“, las begeistert die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn und erfreue mich bis heute hin und wieder an Gaylord und seinen Gedanken aus "Morgens um 7 ist die Weltnoch in Ordnung."

Ihre Helden der Wirklichkeit?

… sind die, die meinen Romanhelden gleichen. Ich habe vor allen große Achtung, die sich – trotz widriger Umstände – nicht unterkriegen lassen und neben manchmal schier unglaublichen Leistungen auch noch ihre Lebensfreude bewahren und einen Blick für andere haben.

Ihre Empfehlung für Berufseinsteiger?
  1. Nehmt euch ausreichend Zeit für Heiterkeit und Freude – das entlastet und entspannt.

  2. Inklusive Vorpraktikum hatte ich fast 50 Jahre mit Kindern zu tun und ich wurde immer wieder mal gefragt, woher ich noch immer die Energie und meine Freude an dieser Tätigkeit nehme. Nun habe ich vor Kurzem einen sehr schönen Satz von Aurelius Augustinus (354 – 430) gelesen, der gut beschreibt, was mich angetrieben hat: „In dir muss brennen, was du entzünden willst.“ Um brennen zu können, solltet Ihr euch die Freude an der eigenen Entwicklung bewahren, denn dadurch bleibt in Euch selbst lebendig, was in Kindern vorgeht, wenn sie Neues entdecken. Besucht Fortbildungen und sucht immer wieder einen guten fachlichen Austausch (den man übrigens sehr gut in der KEG finden kann). Das hilft über manche Krise hinweg, gibt Kraft und macht Mut.