Interview mit Bernhard Stegmann

Bernhard Stegmann studierte die Fächer Englisch und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien in München und Augsburg. Ab 2015 leitete er das Gymnasium bei St. Stephan Augsburg, ab 2021 das Holbein-Gymnasium in Augsburg. Dort war er zuletzt Ständiger Stellvertreter des Ministerial-beauftragten für die Gymnasien in Schwaben. Darüber hinaus engagierte sich Bernhard Stegmann als Gastdozent an der ALP sowie der Regionalen Lehrerfortbildung. Er ist Mitglied der Vereinigung der Direktorinnen und Direktoren der Bayerischen Gymnasien e.V. Im August 2024 ernannte ihn Bayerns Kultusministerin Anna Stolz zum neuen Leiter der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) Dillingen, seit 1971 die zentrale Fortbildungsstätte für die Lehrkräfte und das Führungspersonal aller Schularten in Bayern.
Welche Rolle spielt lebenslanges Lernen für Sie persönlich?
Ich bin ein Mensch, der gern dazulernt. So waren meine Lieblingsfächer als Schüler die Fächer, bei denen ich das Gefühl hatte, nach einer Unterrichtsstunde unmittelbar mehr zu wissen: Geschichte, Biologie und Geographie. Im Rahmen meiner beruflichen Laufbahn fand ich es immer wieder spannend, neue Aufgaben zu übernehmen und aus der eigenen Komfortzone herauszutreten. Derartige Herausforderungen reizen mich und bereiten mir Freude – so war dies auch beim Wechsel an die Akademie.
Welche Rolle spielt lebenslanges Lernen im Lehrberuf?
Lebenslanges Lernen ist für Lehrkräfte unverzichtbar, um den vielfältigen und sich ständig wandelnden Anforderungen des Bildungswesens und der Gesellschaft gerecht zu werden. Es gilt, das eigene Methodenspektrum und pädagogische Ansätze kontinuierlich anzupassen und weiterzuentwickeln; und das nicht nur im Hinblick auf die Kompetenzen im fachlichen Bereich, sondern v.a. in der pädagogischen Arbeit, bei der Differenzierung, beim individualisierten Lernen oder bei Fragen der Inklusion. Gleichzeitig findet eine rasante technische Entwicklung statt: Digitale Medien, Lernplattformen oder KI-Tools verändern den Unterricht ständig und grundlegend.
Welche Kompetenzen sollten Lehrkräfte heute entwickeln, um auch morgen noch professionell unterrichten zu können?
Dafür benötigen Lehrkräfte eine Vielzahl an Kompetenzen die das weiterhin relevante Fachwissen ergänzen sollten. Von zentraler Bedeutung sind methodisch-didaktische Fertigkeiten, damit Unterricht flexibel, schülerorientiert und differenziert gestaltet wird. Dabei spielen digitale Kompetenzen eine immer größere Rolle. Der souveräne Einsatz digitaler Werkzeuge sowie ein reflektierter Umgang mit Medien sind für zeitgemäßes Lernen unverzichtbar. Gleichzeitig braucht es ein hohes Maß an sozialer und kommunikativer Kompetenz. Eine vertrauensvolle Beziehungsgestaltung, die Fähigkeit zur Empathie und der konstruktive Umgang mit Konflikten sind entscheidend für ein gelingendes Lernklima. Ebenso wichtig ist die Kooperations- und Organisationsfähigkeit: Lehrkräfte agieren zunehmend im Team, arbeiten eng mit Kolleginnen und Kollegen, Eltern und außerschulischen Partnern zusammen und gestalten schulische Entwicklungsprozesse aktiv mit. Nicht zuletzt gehört auch Resilienz zu den Schlüsselkompetenzen im Lehrberuf. Der professionelle Umgang mit Belastungen, Selbstfürsorge und ein gutes Zeitmanagement helfen dabei, langfristig gesund, motiviert und handlungsfähig zu bleiben.
Wie fördert Ihre Akademie das lebenslange Lernen bei Lehrerinnen und Lehrern konkret?
Die ALP fördert lebenslanges Lernen durch modulare, flexible Fortbildungsangebote, digitale Innovationen, medienpädagogische Beratung, Peer-to-Peer-Formate und strategische Schwerpunktsetzung. Dieses ganzheitliche Konzept macht Fortbildung praxisnah, nachhaltig und wirksam im Schulalltag. Dazu zählen beispielsweise • passgenaue Fortbildungsformate (beispielsweise Präsenz-, Online- und Blended-Learning-Kurse), • das Gewährleisten von Nachhaltigkeit und Wirksamkeit der Angebote, • die digitale Beratung und Medienpädagogik zur Stärkung der digitalen Expertise, • eine Fokussierung auf höchst relevante Themen (beispielsweise „Digitale Schule der Zukunft“, guter Unterricht im digitalen Kontext, Inklusion, DaZ-Förderung, Startchancenprogramm, Begabungsförderung), • das eLearning-Kompetenzzentrum, die Stabsstelle Medien.Pädagogik.Didaktik. und das KI-Kompetenzzentrum, um den digitalen Wandel zu begleiten, • der Innovationsraum „lernraum.zukunft“ mit der Möglichkeit, digitale Szenarien zu erproben und eigene Unterrichtskonzepte zu entwickeln..
Welche Themen und Fortbildungsformate werden aktuell besonders stark nachgefragt – und was sagt das über den Fortbildungsbedarf aus?
An der ALP werden Fortbildungen im weiten Kontext der Digitalen Bildung weiterhin sehr stark nachgefragt. Ihr Anteil am Angebot beträgt etwas mehr als 50 Prozent. Darunter fallen inzwischen auch viele Angebote zum Einsatz von KI in Schule und Unterricht oder zur BayernCloud Schule. Die Teilnahmezahlen sind auch deshalb so hoch, da diese Angebote die Bedarfe aller Lehrkräfte decken. Selbstverständlich werden auch „nicht-digitale“ Fortbildungsangebote stark nachgefragt, die sich in der Regel fach- und/oder schulartspezifisch ausdifferenzieren. Bei den Formaten nehmen Präsenzveranstaltungen der Akademie ca. 30 Prozent ein. Sehr stark nachgefragt werden eSessions und Selbstlernkurse, da sie den Teilnehmenden ermöglichen, sich fortzubilden, ohne eine Reise durch Bayern und ein längeres Fernbleiben von der Schule in Kauf nehmen zu müssen. Auch die ALP-frei!stunde ist ein beliebtes Fortbildungsformat, das asynchron und in kurzer Zeit (ca. 45 Minuten) bearbeitet werden kann. So kann es für Lehrkräfte gut in ihren herausfordernden Alltag integriert werden.
Wie lässt sich die Motivation zur kontinuierlichen Weiterbildung im oft fordernden Schulalltag stärken?
Engagierte Fachleute, die sich die Begeisterung und die Kraft für den Umgang mit Kindern über viele Jahre erhalten und sich über die Originalität des Einzelnen freuen können. Außerdem würde ich allen Kitas wünschen, dass ihre Leitungskräfte mehr Zeit haben, um ihre Teams im pädagogischen Bereich besser begleiten und unterstützen zu können. Zu viele verwaltungstechnische und hausorganisatorische Themen landen auf den Schreibtischen der Leitungskräfte. Damit wird viel Zeit verschwendet, die eine Kitaleitung besser für die Weitergabe ihrer pädagogischen Kompetenz nutzen könnte.
Welche Rolle spielen digitale Angebote und hybride Formate in der Lehrerfortbildung – auch mit Blick auf zeitliche und regionale Flexibilität?
Digitale Angebote und Blended-Learning-Formate sind in der Lehrkräftefortbildung v.a. seit der Corona-Pandemie zunehmend bedeutsam geworden und aus der Fortbildungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Online-Fortbildungen erlauben es Lehrkräften, unabhängig von Ort und Zeit zu lernen, was besonders im Flächenland Bayern vorteilhaft ist. Zudem bieten die digitalen Formate der ALP eine große thematische Vielfalt und erlauben so eine individuelle, bedarfsgerechte Auswahl. Blended-Learning- Modelle kombinieren persönliche Begegnung mit digitalen Elementen und verbinden so kollegialen Austausch und Flexibilität. Viele Angebote sind niedrigschwellig zugänglich, lassen sich gut in den Arbeits- und Familienalltag integrieren, fördern selbstgesteuertes Lernen und erleichtern die Dokumentation der eigenen Fortbildungsaktivitäten.
Wie stellen Sie sicher, dass Fortbildungsinhalte praxisnah und wirksam im Schulalltag umgesetzt werden können?
Das Thema „Nachhaltigkeit und Wirksamkeit von Fortbildungsveranstaltungen“ beschäftigt uns an der ALP sehr. Sogenannte One-Shot-Veranstaltungen, deren Inhalte im Arbeitsalltag schnell wieder in Vergessenheit geraten, haben oftmals nicht die gewünschten Effekte. Hier können Fortbildungsreihen, die sich aus verschiedenen Formaten zusammensetzen, wirksamer sein. Darüber hinaus ist es wichtig, sich mit den Inhalten klar an den konkreten Bedürfnissen der Lehrkräfte zu orientieren. Themen sollten aktuell, relevant und direkt mit Herausforderungen aus dem Unterrichtsalltag verknüpft sein. Ebenso wichtig ist die methodische Gestaltung: Praxisorientierte Formate wie Workshops, Fallbeispiele oder Unterrichtsanalysen ermöglichen einen direkten Transfer und wirken nachhaltig in die Kollegien hinein. Begleitmaterialien unterstützen die Anwendung im Schulalltag zusätzlich. Der kollegiale Austausch während der Fortbildung und die Vernetzung darüber hinaus fördern nachhaltiges Lernen und die gemeinsame Weiterentwicklung. Reflexion und Feedback zu unseren Angeboten helfen schließlich, die Wirksamkeit von Fortbildungsangeboten zu überprüfen und gezielt weiterzuentwickeln.
Was würden Sie einer jungen Lehrkraft raten, die sich eine langfristige, berufsbegleitende Weiterentwicklung wünscht?
Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel zur erfüllten und erfolgreichen Arbeit als Lehrkraft. Grundvoraussetzung ist es, neugierig und offen zu bleiben, Gelegenheiten zur Weiterentwicklung der eigenen Lehrerpersönlichkeit zu nutzen und dabei auch Strategien zur Bewältigung berufsspezifischer Herausforderungen zu erlernen. Aber es ist ebenso bedeutsam, sich dabei realistische Ziele zu setzen und auch kleine Schritte wertzuschätzen. Die Vernetzung mit anderen hilft, schwierige Situationen zu bewältigen und neue Ideen zu entwickeln. Dabei sollte der eigene Weg regelmäßig reflektiert und auf eine gesunde Balance zwischen Beruf und Leben geachtet werden. So können Lehrkräfte lange mit Freude unterrichten.
Über welche Fähigkeit oder welches Wissen würden Sie gerne verfügen, sind aber noch nicht dazu gekommen?
Trotz meiner langen Berufserfahrung und der Routinen, die sich in meinen Arbeitsprozessen eingespielt haben, schaffe ich es nicht immer, meiner Familie genügend Zeit zu schenken. Bei diesem Thema gibt es bei mir ganz sicher großes Entwicklungspotential.