Fabian Mehring im Interview

In dieser Ausgabe führen wir ein spannendes Interview mit Dr. Fabian Mehring, dem Staatsminister für Digitales in Bayern. Er gibt Einblicke in seine persönliche Motivation, sich für digitale Bildung stark zu machen, und erläutert die Chancen, die Technologien wie Extended Reality (XR) und Künstliche Intelligenz (KI) für Schulen bieten. Wie wird sich die digitale Bildung in den nächsten zehn Jahren entwickeln? Und welche Wege gibt es für Lehrkräfte, um die notwendigen digitalen Kompetenzen zu erwerben? Freuen Sie sich auf eine erhellende Diskussion über die Zukunft der Bildung!

 

Foto: Dr Fabian Mehring (c) Andreas Gebert

Dr. Fabian Mehring ist ein deutscher Politiker, der der Freien Wähler Partei angehört. Er ist Staatsminister für Digitales in Bayern und setzt sich für die Förderung digitaler Bildung und den Einsatz neuer Technologien in Schulen ein. In seiner Rolle engagiert er sich für die Verbesserung der digitalen Infrastruktur und die Entwicklung von Strategien zur Integration von digitalen Kompetenzen in den Bildungsbereich. Dr. Mehring hat einen Hintergrund in Wirtschaft und Politik und bringt Erfahrungen aus verschiedenen Positionen in der öffentlichen Verwaltung mit.

Herr Dr. Mehring, Sie sind seit knapp einem Jahr Staatsminister für Digitales. Was hat Sie persönlich motiviert, sich für dieses Thema in Bayern stark zu machen?

Die digitale Transformation ist die große gesellschaftliche und ökonomische Revolution unserer Zeit. Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz werden unsere Art zu leben, in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Dabei sind gewaltige Fortschritte für die Menschen, unseren Staat sowie unsere Wirtschaft möglich – aber es gibt auch große Gefahren. Bayerns Reise in die digitale Zukunft so zu gestalten, dass wir die damit verbundenen Chancen nutzen und die Risiken im Griff behalten, empfinde ich als eine faszinierende Aufgabe.

Waren Sie in Ihrer Jugend ein begeisterter Gamer?

Natürlich habe ich – wie die meisten Jugendlichen – gerne gespielt. Damals war die Zeit von Games wie Monkey Island, Midtown Madness oder Need for Speed. In den letzten Jahren hatte ich dann verdammt wenig Zeit dafür und freue mich deshalb umso mehr, als Digitalminister wieder mitten in diese faszinierende Welt katapultiert worden zu sein.

Sie haben kürzlich gemeinsam mit der KEG eine VR-Reise in die „Schule der Zukunft“ unternommen. Welche Chancen eröffnen Technologien wie Extended Reality (XR) und Künstliche Intelligenz (KI) in der Bildung?

Das war toll – Danke für die Gelegenheit dazu. Ich bin überzeugt: Insbesondere die Kombination von XR und KI eröffnet völlig neue Möglichkeiten für begeisternde Pädagogik. In den vom XR Hub Nürnberg durchgeführten XR-Classrooms, der vom Digitalministerium gefördert wird, zeigen wir, wie immersive Technologien Inhalte erlebbar machen, die Schülerinnen und Schüler bisher nur aus Büchern kannten. Schulklassen und Lehrkräften erlernen dort den Umgang mit XR und erfahren, wie sie diese Technologie in den Unterricht integrieren können. Dabei kommen moderne VR-Brillen und Headsets sowie Software und andere Tools zum Einsatz. So sollen die Schülerinnen und Schüler für eine mögliche berufliche Karriere in diesem Bereich begeistert werden. All das ist erst der Anfang und schafft ein bisher ungekanntes, begeisterungsfähiges Lernerlebnis. Zeitgleich kann KI die Chancengleichheit beflügeln, indem Differenzierung und individuelle Förderung eine neue Dimension erreichen. Am Herzen liegt mir dabei, dass bei sämtlichen Zukunftstechnologien im Klassenzimmer immer die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stehen müssen – denn: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern für die Menschen da.

Bayern sieht sich im Bereich Bildung und Technologien in einer gewissen Garantenstellung. Bei der Planung unserer VR experience mussten wir aber feststellen: Bayern steckt hier noch in den Babyschuhen.Wie steht es wirklich um die Digitalisierung im Freistaat?

Bayern ist Heimat für High-Tech und wir sind außerordentlich stark, wenn es um die Spitzendigitalisierung geht. Dank der 5,5 Milliarden schweren High-Tech-Agenda unserer Staatsregierung sind wir ein echter Premium-Standort für die Zukunftstechnologien innerhalb Europas geworden. Globale Tech-Konzerne investieren aktuell viele Milliarden in München. Und das ist erst der Anfang: Mit 134 neuen KI-Professuren, 13 000 neuen MINT-Studienplätzen, einem eigenen KI-Transferprogramm und unserem bayerischen Innovationsbeschleuniger setzen wir diesen Erfolgsweg konsequent fort. Auch bei der Verwaltungsdigitalisierung sind wir bereits deutscher Meister und ich arbeite mit Hochdruck daran, zu den Top-Digitalstaaten in Europa aufzuschließen. Nachholbedarf sehe ich eher bei der Alltagsdigitalisierung und insbesondere im Bereich der digitalen Infrastruktur – etwa bei der Mobilfunkabdeckung oder dem schnellen Internet. Das wollen wir durch unseren Pakt für digitale Infrastruktur bis Ende nächsten Jahres erfolgreich geändert haben.

Die Vorstellung von „noch mehr Digitalisierung“ löst nicht nur Beifall aus. Es wird immer wieder die Forderung laut, Kinder sollen öfter ein Buch in die Hand nehmen und an der „analogen“ Welt teilhaben. Wie stehen Sie dazu?

Digitalisierung ist für mich weder ein Allheilmittel noch ein Science-Fiction-Schreckensgespenst aus der Zukunft. Stattdessen sind digitale Tools in der Schule nicht mehr als ein weiteres Instrument im Werkzeugkasten der modernen Pädagogik. Mit einem Hammer kann man ja auch sowohl einen Nagel in die Wand schlagen als auch einen Mord begehen. Nicht anders ist es mit KI und Co. im Klassenzimmer: Es kommt auf uns an, was wir daraus machen. Klar ist: Die Schüler von heute werden in der digitalen Welt von morgen arbeiten und leben. Deshalb wäre es falsch, einen vermeintlich schützenden Anti- Digital-Kokon über die Schulwelt zu spannen. Stattdessen muss Schule jungen Menschen die notwendigen Kompetenzen vermitteln, um im KI-Zeitalter zurecht zu kommen.

Wir sprechen über „Digitale Hubs“, „VR Anwendungen“ und „KI-Bots“. Doch an vielen Schulen scheitert die Digitalisierung bereits an der WLANVerbindung. Wie wollen Sie das ändern?

Zunächst einmal gibt es ja durchaus sichtbare Fortschritte: Ich finde der DigitalPakt Schule hat die Schuldigitalisierung im Land spürbar vorangebracht. Mit der BayernCloud Schule bieten wir den Schulen ein kostenloses Softwarepaket an, das von der Videokonferenzsoftware über eine Lernplattform bis hin zu WebOffice reicht. Auch wenn mir als Digitalminister freilich vieles zu langsam geht und ich durchaus noch Verbesserungsbedarf sehe, haben wir also durchaus schon etwas geschafft. Mit Blick auf schnelles Internet und flächendeckenden Mobilfunk zünden wir gerade sogar einen echten Turbo. Über den Pakt für digitale Infrastruktur entstehen bis Ende nächsten Jahres 2000 neue Funkmasten im Freistaat und die Netzbetreiber planen, drei Millionen neue Anschlüsse auf Gigabit-Niveau zu schaffen.

Wie sehen Sie die Rolle der digitalen Bildung in der Schule in den kommenden zehn Jahren?

Ich bin mir sicher: Klug gemachte digitale Bildung hat das Potenzial, Bildungsungleichheiten abzubauen und Chancengleichheit zu fördern. Zentrale Themen sind für mich: Individualisiertes Lernen durch digitale Plattformen und das Vermitteln von Medienkompetenz, um in Zeiten von Fake News Informationen kritisch bewerten zu können. Aber auch die Bildung selbst wird sich verändern müssen. Angesichts der gewaltigen Dynamik der digitalen Transformation sind die Zeiten endgültig vorbei, in denen man 40 Jahre Berufsleben aus neun, zehn oder 13 Jahren Schulzeit speisen konnte. Stattdessen muss die Schule der Zukunft ungleich stärker das Vermitteln der Kompetenz-Kompetenz für lebenslanges Lernen in den Fokus nehmen.

Was genau verstehen Sie unter „Medienkompetenz“?

Unter Medienkompetenz verstehe ich die Fähigkeit, verschiedene Informationskanäle und deren Inhalte kompetent – und kritisch – zu nutzen und auf diesen Kanälen souverän zu agieren. Insbesondere soziale Medien bergen die Gefahr, dass unsere Gesellschaft zu einer Art Deepfake-Demokratie verkommt, in der politische Geschäftemacher leichtes Spiel haben. Unser Gegenmittel besteht nach meiner festen Überzeugung in gut ausgebildeten jungen Menschen, die gelernt haben, ihr Leben auch in der digitalen Welt informiert und selbstbestimmt zu organisieren.

Wie können Lehrerinnen und Lehrer die digitalen Kompetenzen erwerben, mit denen sie den Unterricht effektiv gestalten?

Hierfür machen wir in Bayern zwischenzeitlich ein wirklich gutes Angebot. Unsere Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) hat in den vergangenen Jahren ein breites Portfolio entwickelt – da ist tatsächlich für jede Lehrkraft etwas Adäquates dabei. Jüngst ist an der ALP das Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz hinzugekommen, wo Lehrkräfte KI ganz konkret ausprobieren können. Zudem konzentriert sich die regionale und schulinterne Lehrerfortbildung seit Jahren speziell auf den Bereich der Digitalisierung. Was das angeht, sind wir in Bayern wirklich am Puls der Zeit.

Wie können wir unsere Kinder und Jugendlichen für die Technologien der Zukunft begeistern?

Der Schlüssel liegt in der Kombination aus begeisterungsfähiger Technik und begeisternden Menschen. Denn: Begeisterung transportiert sich über Persönlichkeiten, die Begeisterung verkörpern – auch und besonders in der Schule. Deshalb habe ich zum Beispiel unseren Nationaltorwart Manuel Neuer als Schirmherrn für unser Programm BayCode gewonnen, mit dem wir Schülerinnen und Schüler das Programmieren beibringen. Das klappt aber auch in jedem Klassenzimmer. Ich bin aus eigener Erfahrung fest davon überzeugt, dass moderner Unterricht durch prägende Lehrerpersönlichkeiten den Lebensweg von jungen Menschen nachhaltig beeinflussen kann.

Welche Programme, Maker Spaces und Initiativen gibt es für Schülerinnen und Schüler in Bayern, die sich für Zukunftstechnologien begeistern?

Eine ganze Menge. Nur ein paar Beispiele: Mit BayCode begeistern wir Jugendliche fürs Programmieren. Unsere< „Goldie-App“ vermittelt auf spielerische Weise Medienkompetenz. Am jüdischen Lernort in Buttenwiesen zeigen wir per digitalem Lernspiel die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in unserer Heimat vor dem Holocaust. Im Mindelheimer Maristenkolleg fasziniert das Edu-Lab junge Menschen mit XR und KI. Und das ist nur eine zufällige Auswahl von Projekten, die ich in den letzten Wochen persönlich besucht habe. In Sachen Makerspaces hat der Bayerische Landtag meinem Ministerium übrigens gerade Mittel für ein Projekt bereitgestellt, das Schulen den Zugang zu bestehenden MakerSpaces maßgeblich erleichtern wird. Kurzum: Im Hinblick auf XR, KI und Co. geht gerade ein spürbarer Ruck durch Bayerns Schullandschaft, wofür ich gerne kräftigen Rückenwind gebe!

Wo stößt die Digitalisierung an ihre Grenzen?

Nach meiner festen Überzeugung überall dort, wo der Mensch den Menschen braucht. Niemand will im Krankenhaus von Maschinen gepflegt werden. Keiner möchte, dass Kinder von Robotern erzogen werden. Gut finde ich hingegen, wenn Pflegekräfte und Lehrer mehr Zeit für Kranke und Schüler haben, weil die Digitalisierung ihnen einen Teil ihrer anderen Aufgaben abnimmt. Das Digitale kann also niemals die Menschlichkeit ersetzen. Kluge Digitalisierung kann aber den Menschen mehr Zeit für die Menschen geben.

Ist Digitalisierung Technologie oder eher Kultur?

Sowohl als auch. Die digitale Transformation verändert unsere Art zu leben. Darum ist sie sowohl ein technologischer als auch ein kultureller Prozess. Folgerichtig können wir dabei nur erfolgreich sein, wenn wir beide Dimensionen zusammendenken. Anders gesagt: Unsere Reise in die Zukunft gelingt je besser, desto mehr es uns gelingt die Menschen mitzunehmen – und am besten fangen wir damit in den Schulen an!