Manuela Sigl im InterviewMenschen der KEG im Mittelpunkt

In dieser Ausgabe führen wir ein exklusives Interview mit KEG-Mitglied Manuela Sigl, die uns von ihren Erfahrungen im Beruf erzählt und wertvolle Tipps für Berufseinsteiger gibt.

Manuale Sigl
  • Ganztagsschul-Koordinatorin Edith-Stein-Schule / Projektmanagement

  • Diplomierte Lerntherapeutin IFLW für Kinder und Jugendliche

  • Integratives Lerncoaching Kinder/Jugendliche/Erwachsene

  • Dozentin Ganztagsschule

  • VHS -Kursleiterin MKT und Lernmethodentraining

  • Kurse in den Bereichen Lese-/Rechtschreibstörung, Lernstörungen

  • Psych. Beraterin n. (HPG) – Systemische Familienberaterin ISTOB

  • Zertifikation zur Trainerin n. Krowatschek Marburger Training

Das liebe ich an meinem Beruf

Innerhalb meiner zusätzlichen Aus- und Weiterbildung arbeitete ich ehrenamtlich an einer Heilpädagogischen Tagestätte. Dort betreute ich zwei Fälle, Kinder mit einer ADHS-Diagnose. Das waren besondere Kinder und erste Praxiserfahrungen um meine Diplomarbeit zu schreiben. Der Leiter der Kinder- und Jugendhilfe KJF bot mir nach dem Abschluss zur Dipl. Lerntherapeutin eine Projektarbeit an der Edith-Stein-Schule an. Es handelte sich um ein Pilotprojekt-Ganztagsschule, das erste in dieser Form im Landkreis Aichach-Friedberg: eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendamt. Das Besondere für mich an diesem Konzept ist der Beitrag zur Inklusion mit einer Belegung von Intensivplätzen, an dem das Jugendamt beteiligt ist. Ich kann an dieser Schule etwas gestalten für Kinder in schwierigen Verhältnissen, die oft am Rand der Gesellschaft stehen. Wir entwickeln mit der Schulleitung das Konzept OGTS Intensiv und die weiteren Fortschreibungen innerhalb der Entwicklung einer Ganztagschule seit 2013. Worte, die die Tätigkeit gut beschreiben: Sie ist sinnstiftend und ich kann werteorientiert sowie kreativ leben. Ich bin ein aktiver Teil im Prozess der wertebasierten Schulentwicklung.

Das bringt mich manchmal zum Verzweifeln:

Vorurteile. Man sollte verschiedene andere Meinungen akzeptieren und die Vorurteile können nur gesellschaftspolitisch verändert werden. Weitere Bildungschancen für Migration oder bildungsferne Haushalte sind dabei ein wichtiges Thema. Es gilt zusätzliche Einrichtungen, Plätze und Orte für Kinder zu eröffnen, um die Hilfesettings für Kinder zu gestalten. Jeder Mensch und jedes Kind hat mehrere Möglichkeiten, sich im Leben zu entwickeln. Dennoch als „unerträglicher Skandal“ wird unter anderem oft die „Aussonderung“ von Kindern praktiziert, sozial schwache Kinder und Eltern und von Migranten aus dem Regelschulsystem. Denn bis zu 90 Prozent der Förderschüler stammen aus unteren Einkommens- und Bildungsschichten. Einige Gründe für die Lernschwäche: Mangelnde Geborgenheit, wenig frühkindliche Anregungen, Probleme mit der deutschen Sprache, unkontrollierter TV-Konsum und oft Verwahrlosung. Diese Kinder haben sehr häufig keine Chance: Sie leiden unter Vorurteilen wie „ungezogen, dumm und faul“ zu sein. Nicht einmal jeder fünfte Förderschüler schafft überhaupt einen Mittelschulabschluss. Die meisten starten nur mit einem praktisch „wertlosen Förderschulzeugnis“ ins Berufsleben. Ihre Aussicht auf eine Lehrstelle: gleich Null. Das sind harte Realitäten und lassen sich durch Gegenargumente nicht wegdiskutieren.

Darüber kann ich mich freuen:

Aha-Erlebnisse von Kindern beim Lernen und in ihren Entwicklungen zu erleben, ihre Potenziale zu fördern. Dankbarkeit für Hilfestellungen von Eltern und Kindern kommuniziert zu bekommen. Akzeptanz und Mitarbeit von Kindern, ihre Beziehungsangebote in schwierigen Situationen. Die Auswirkungen erleben zu können von dieser Arbeit, teils auch Jahre nach einem Schulbesuch. Besuche von Kindern, die die Schule bereits verlassen haben, gute Beziehungserfahrungen mit ihnen. Die Freude, wenn sie ihren Weg gehen und sie es mit mir teilen. Saat in Kinder zu legen, die Freude und das Wissen, dass sie später aufgehen kann. Eine eigene tiefe Freude, dass sie innerhalb der Arbeit mit ihnen eine unterstützende Beziehungserfahrung machen können. Meine Freude an umgesetzten, ideenreichen, kreativen Projekten mit Kindern in Vielfalt. Wenn ich mit externen Partnern zusammenarbeiten kann im Bereich Sport, Kreativität oder beispielsweise dem Faschingsverein vor Ort. Das Lachen der Kinder, ihre Unbeschwertheit trotz vieler Schwierigkeiten in ihrem Leben, ihre gezeigte Resilienz und im Alltag.

Das zeichnet mich aus ...

Mein Ansatz ist: Kinder haben keine Probleme. Ihre Schwierigkeiten sind nichts anderes als Fähigkeiten, die sie noch nicht gelernt haben! Eine Neudefinition mit weitreichenden Folgen: Es geht plötzlich nicht mehr darum, etwas beseitigen zu wollen, sondern es geht darum, gemeinsam mit dem Kind zu überlegen, welche Fähigkeit als nächstes erlernt werden soll. Mein Motto: „Vom Lass-das zum Tu-das“. Ausgangspunkt und Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit ist das individuelle Kind, der Jugendliche und der junge Erwachsene. Durch Liebe, an ihnen dranbleiben und angenommen sein bieten wir ihnen die Möglichkeit, Heimat und Hilfestellung zu erfahren. Grundlage der Arbeit sind meine Werteorientierung und mein fachliches Wissen und Können. Ich möchte bei Kindern ihren Selbstwert stärken und sie in schwierigen Situationen resilienter werden lassen. Resilienzförderung ist in allen Bereichen hier am Förderzentrum gut zu beobachten und zu erleben. Es wird dabei eine tägliche Beziehungsarbeit zu den Kindern geleistet. Wir arbeiten mit Eltern und Kindern am Förderzentrum – soweit es im Rahmen der Möglichkeiten liegt – mit einer systemischen Familienberatungsform. Ich achte darauf, die Kinder systemisch in ihrem Familiensystem wahrzunehmen. Dann können entsprechende Hilfeformen gefunden werden.

Mit der KEG verbindet mich ...

Eine aktive politische Unterstützung bei den Entwicklungen der Ganztagskonzepte an den Schulen. Gestaltungsanregungen und Begleitung für junge Menschen in pädagogischen Berufen. Hilfestellungen im Berufsalltag für alle pädagogischen Kräfte, eine Unterstützung bei arbeitsrechtlichen Fragen. Die KEG ist eine gute Anlaufstelle für wichtige fachliche Beratungsgespräche.

Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre das ...

Die Rahmenbedingen, die der Staat Bayern für uns derzeit zur Verfügung stellt, sind nur marginal unterstützend. Es gibt wenig Raum und Ressourcen, zu wenig Budget für Projekte am Nachmittag, kaum Budget für Material oder Spielzeug, das die Kinder am Nachmittag benötigen, keine geeigneten Räume mit passenden, kindgerechten Möbeln, kaum ausgebildetes Personal. Ohne Spenden über Fördervereine kann man die Freizeit am Nachmittag nicht gestalten, wie beispielsweise das Einladen von externen Partnern in Projekte wie Sport, Kunst, Musik. Die Räumlichkeiten für eine Offene Ganztagschule sollten mit passendem kindgerechten Mobiliar ausgestattet werden. Ruheräume für Grundschulkinder sollten zur Verfügung stehen, Turnhallenbelegungen für den Ganztag sollten mit eingeplant werden. Ich brauche innerhalb der Teamarbeit ausgebildetes Fachpersonal. Vor allem aber ist die umfangreiche Kooperation zwischen Schule und Träger im Vertrauen zueinander als Grundlage jeglicher Beziehungen erforderlich, sowie wirkliches Interesse am Menschsein des Anderen. So wünsche ich mir, dass Schule ein Platz wird, an dem sich Kinder individuell entwickeln und wachsen dürfen.

Für meinen Berufsalltag brauche ich ...

Eine Haltung zu dem, was ich dort innerhalb meiner Möglichkeiten gestalten möchte. Eine Haltung, wie ich mit Kindern im Alltag umgehen möchte. Eine eigene Werteorientierung zum Wohl der Kinder – fest in mir verankert. Jährliche Weiterbildungen durch den Träger oder die Schule und Fachkompetenz. Den Willen, immer wieder neu dazuzulernen. Die herausfordernde Aufgabe ist, sich täglich selbst zu reflektieren im Verhalten zu den Kindern und eine besondere wertschätzende Haltung zu bewahren, trotz aller Rückschritte der Kinder und sie in ihren Entwicklungen auszuhalten, dranzubleiben. Ein weiteres großes Thema in meiner Arbeit sind multiprofessionelle Teams und diese Zusammenarbeit der unterschiedlichen Berufsgruppen. Denn jede Profession hat einen anderen Blick auf das Kind. Dabei treffen unterschiedliche Selbstverständnisse aufeinander. (JaS, Lehrer, Schulleitung, Leiter der Träger, Psychologen, beratende Institutionen wie Erziehungsberatung, Jugendamt- Mitarbeiter, Ergänzungskräfte ohne pädagogische Ausbildung, Heilerziehungspfleger, Kontakt zu den Eltern). Die Position innerhalb des Schulkollegiums veränderte sich dabei deutlich. Kurz gesagt: geht es darum, den neuen Platz zwischen allen Stühlen gut einzurichten.

Das lustigste Erlebnis in meinem Beruf …

Ist jedes Jahr die gelungene fröhliche Faschingsveranstaltung im gelebten Jahreskreis, ein wildes buntes Treiben mit der Aichacher Paartalia.

Das kann ich Berufseinsteigern empfehlen ...

Bei den Rahmenbedingungen, beim Ausbau des Ganztags- Modells Bayern, da sollte sich in den nächsten Jahren politisch etwas verändern, sie sollen sich aktiv engagieren. Berufseinsteiger sollten jetzt Schulsysteme mitgestalten und auch verändern wollen. Somit dann auch in den Gestaltungsmöglichkeiten an der Schule mit eigenen Ideen aktiv tätig sein. Meine Arbeit sehe ich als sinnvolle Arbeit und als einen Beitrag im sozialen Engagement, ohne das keine Gesellschaft funktionieren kann. Sie sollten eine eigene Haltung zu dem entwickeln, was genau sie in ihrem Beruf gestalten wollen. Die Bezahlung von Care-Arbeit ist ein politisches Thema, sowie ein Thema der Benachteiligung von Frauen innerhalb der Leistungen von Care- Arbeit. Sie wird< seit jeher geleistet, in der Mehrheit von Frauen auch im Schulsystem oder der erzieherischen Arbeit mit Kindern.< Care-Arbeit erfährt praktisch kaum gesellschaftliche Anerkennung. Berufseinsteiger sollten sich engagiert einsetzen für die weitere Anerkennung ihres Berufsbildes im sozialen Bereich.

Ausgleich finde ich ...

In verschiedenen Hobbys, einem guten, stabilen Umfeld mit Freunden und Familie. Beim Sport, auf Reisen und um dann auch Abstand zu nehmen vom Schulalltag.

Besonders gerne arbeite ich mit ...

... mit Humor.