Gott als „unsichtbare, liebende Gegenwart“Michael Patrick Kelly spricht mit Peter Maffay über die Gesellschaft im Wandel

Peter Maffay

Text: Martin Goppel und Markus Kosian

"Freunde, wir gehen on Air!“ Mit diesen Worten startete Peter Maffay im November 2019 seine eigene Radio-Show. Mit damals kurzen Haaren war Maffay ab diesem Zeitpunkt an jeden Sonntag von zehn bis zwölf Uhr on Air. Bis heute stellt Maffay nicht nur seine ganz persönliche Musikauswahl zu einem bestimmten Thema vor, sondern bietet neben seinen spannenden Gästen auch jede Menge ge Möglichkeiten mitzumachen.

"Radio hat eine ungeheure Power und die Show ist ein großer Sandkasten für uns,“

so Maffay zu Beginn seiner Show, die inzwischen als Podcast auf Spotify ein viraler Hit ist. Im November 2020 hatte Maffay einen ganz besonderen Gast geladen: seinen Musiker-Kollegen Michael Patrick Kelly. Zwischen den beiden Musikern herrscht nicht nur seit vielen Jahren eine innige Freundschaft, sondern auch eine tiefe Verbundenheit in verschiedenen Themen. Daher entwickelte sich schnell ein intensiver Talk über Gott, Ängste, unsere Gesellschaft, wichtige Werte, über die Auszeit im Kloster, in dem Kelly sechs Jahre lebte, über die Kraft und das Lebensgefühl der Musik und über Künstler, die ihn beeinflusst haben.

Michael Patrick Kelly ist nicht nur ein erfolgreicher Musiker, sondern engagiert sich seit Jahren auch als Friedensaktivist. Vergangenes Jahr hat er die Initiative #PeaceBell ins Leben gerufen und die erste Friedensglocke in Mainz enthüllt. Im Interview wollte daher Peter Maffay von Michael Patrick Kelly wissen, ob Musiker und Künstler eine Verpflichtung hätten, sich gegenüber dem Publikum und gegenüber der Gesellschaft gerade in diesen Zeiten zu positionieren. Kelly erklärte, dass dies seiner Meinung nach jeder Musiker für sich entscheiden müsse, es in seinen Augen aber noch wichtiger sei, Menschen durch die Musik bzw. seine von Gott gegebenen Talente zusammenzubringen. Dazu betonte Kelly: „Wir haben die Möglichkeit, Menschen, die religiös oder politisch unterschiedliche Ansichten haben, zusammenzubringen.“ Um sich mit tiefergehenden Dingen zu beschäftigen sowie auch um kreativ sein zu können, sind für Michael Patrick Kelly Ruhephasen im Leben wichtig. So antwortete er auf die entsprechende Frage der Moderatorin Henriette Fee Grützner: „Ich versuche einmal in der Woche einen Offline-Day zu machen.“ An diesem Tag versuche er, nicht auf sein Handy zu schauen und keine E-Mails, WhatsApp-Nachrichten oder seinen Instagram-Acoount zu checken, um abschalten zu können, was ihm „sehr oft“ auch gelänge. Ebenso wichtig ist ihm Urlaub, aber weniger als All-inklusiv-Cluburlaub, sondern: „Da ist es die Natur, was ich liebe.“

Der Respekt vor der Schöpfung findet auch in seinem Projekt „Peace Bell“ Ausdruck, bei dem er aus „Kriegsschrott eine Friedensglocke, einen friedlichen Klang, der Menschen innehalten lässt und zusammenführt“ herstellen ließ. Im Jahr 2018 jährte sich das Ende des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal – Grund genug, das Thema Frieden wortwörtlich an die große Glocke zu hängen.

In beiden Weltkriegen wurden über 150.000 Glocken eingeschmolzen, um Metall für die Waffenproduktion zu gewinnen. Glocken, die einst dazu gedacht waren, die Menschen zusammenzurufen, rissen sie nun auseinander. Michael Patrick Kelly hat diesen Prozess wieder umgekehrt und präsentiert die #PeaceBell als ein Symbol des Wandels der Gesellschaft. Mehr denn je soll die Friedensglocke auch davor warnen, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Wir müssen die Gesellschaft weiterdenken. Deshalb will Michael Patrick Kelly mit dem Projekt #PeaceBell darauf aufmerksam machen, wie wichtig eine Abkehr von Radikalismus und polarisierenden Tendenzen in der Gesellschaft ist und warum Frieden mehr bedeutet als die bloße Abwesenheit von Waffen. Die #PeaceBell ist nicht nur ein Musikinstrument oder kirchliches Objekt, „sie ist ein universelles Instrument des Friedens, das Menschen mit verschiedenstem politischem, religiösem und kulturellem Background zusammenhalten soll“, so Kelly.

Bei all seinen Konzerten gebe es auch immer „eine Schweigeminute, eine Friedensminute“, die von der Peace-Bell eingeläutet wird. Dazu betonte Kelly im Talk mit Peter Maffay: „Das ist total schön, wenn 10.000 Menschen zusammen schweigen für den Frieden.“ Im Gegensatz findet er neuere Tendenzen im musikalischen Wirken mancher Künstler, die Pornographie, Gewaltverherrlichung oder Materialismus als oberste Form des Lebensglückes beinhalten, schwer erträglich. Ohne dabei als „Moralapostel“ auftreten zu wollen, frage er sich jedoch, ob die Künstler, die so etwas veröffentlichen wüssten, welchen Einfluss sie auf Kinder haben und in welcher Richtung sie diese auch steuern.

Peter Maffay
Michael Patrick Kelly

Als Künstler, die ihn in seinem Wirken inspirierten und von denen in der Show sein Lieblingslied gespielt wurde, nannte Kelly unter anderem Bruce Springsteen, dem er schon als Kind begegnen durfte, die Eagles, Queen, die Beatles, Bob Dylan, Silbermond und die Rockband Pearl Jam, die ihn insbesondere im Alter von 15 Jahren sehr inspirierte. Zum Ende des Gesprächs interessierte sich Peter Maffay, der selbst im Glauben an Gott Orientierung findet, für die prägende Zeit in Kellys Leben, als dieser sich eine sechsjährige Auszeit nahm und als Mönch in einem Kloster in Frankreich lebte. Dabei berichtete der heute 42-Jährige, dass er mit Anfang 20 eine Lebenskrise hatte, im Zuge derer er sich die existenziellen Fragen des Lebens wie „Wer bin ich?“, „Was ist der eigentliche Sinn des Lebens?“ und „Was passiert nach dem Tod?“ stellte. Hinsichtlich letzterer Frage schilderte der Sänger seine Gedanken wie folgt:

„Sind wir nur Materie und werden von den Würmern aufgefressen oder gibt es so etwas wie eine Seele oder einen Geist, der weiterlebt und wenn ja wo?“ Daraufhin habe er angefangen, „in Religionen zu buddeln“. Diese Suche habe er vier bis fünf Jahre lang praktiziert. Dabei habe er auch Pilgerreisen gemacht, im Zuge dessen er sich „auch in Klöstern gefunden“ habe, wo er über ein paar Tage immer mal wieder Stille, Gebet und Meditation erlebte. Zu dieser Erfahrung sagte er: „Ich fühlte mich dabei immer sehr wohl und geborgen und sehr friedlich da.“ Und: „Dann habe ich angefangen, Gebet in meinen Alltag einzubauen.“ Seine Erfahrung, die er in dieser Zeit mit Gott machte, beschrieb Kelly gegenüber Peter Maffay mit folgenden Worten: „Ich glaube, dass es eine unsichtbare Gegenwart gibt von einem liebenden Gott. Dieser Liebe bin ich in der Klosterzeit begegnet.“

Diese Erfahrung habe seine ganze Sinnsuche und sein Lebensglück „voll gemacht“. Dazu erklärte der 42-Jährige weiter: „Was vorher leer war, wurde gefüllt mit etwas, das man nicht im Supermarkt kaufen kann.“ Dieser Kloster-Lifestyle habe ihn immer wieder dorthin hingezogen und irgendwann habe er „nur noch das“ gewollt. In der täglichen Zeit der Stille und des Gebets sowie des „Life-rhythm“ im Kloster sei er sich dann selbst begegnet und dabei den guten wie den schlechten Eigenschaften seiner Persönlichkeit. Zudem habe ihm die Erdung durch den einfachen Lebensstil im Kloster gutgetan sowie die Begegnung mit Menschen, die alle die „Sehnsucht nach Mehr“ in sich trugen.

Aus dem Kloster ging er nach sechs Jahren wieder heraus, weil er in den letzten zwei Jahren öfter krank wurde und ihm im Zuge dessen die älteren Mönche rieten, wieder sich in einer weltlichen Lebensform zu orientieren und der Musik nachzugehen, wo sie bei ihm eher die Berufung sahen als im Kloster auf Lebenszeit. So stellte auch Kelly gegenüber Peter Maffay fest: „Ich bin ja so ein irischer Dickkopf und wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich vermutlich geblieben, aber mein Körper machte nicht mit.“ Die älteren Mönche bestärkten ihn, wieder Musik zu machen, die für sein Leben wichtig sei. Die Moderatorin Henriette Fee Grützner erklärte daraufhin, hörbar angetan, dass sie Michael Patrick Kelly noch Stunden zuhören könnte. Zum Abschluss und als weiteren Höhepunkt der Sendung sang Michael Patrick Kelly gemeinsam mit Peter Maffay dessen Tabaluga-Hit „Ich wollte nie erwachsen sein (Nessaja)“. Das Lied habe er sich ausgesucht, weil es ihn „getoucht“ habe und „ich auch so ein kleines Kind in mir hab, das nie erwachsen werden will“, so Kelly.

Den Podcast zum spannenden Talk zwischen Peter Maffay und Michael Patrick Kelly inkl. Duett am Ende der Show gibt es unter: www.petermaffayradioshow.de