Anna Stolz im Interview
Was steht konkret an? Welche Themen „drücken“, wohin soll die Reise gehen? Was will unsere Kultusministerin ändern und angehen? In der großen Neujahrsausgabe unserer CB verrät unsere Kultusministerin ihre Vorsätze und ersten Ideen. Anna Stolz ist sich der bevorstehenden großen Herausforderungen bewusst und stellte sich kurz vor Neujahr unseren Fragen.
Fragen an: Anna Stolz, Bayerische Kultusministerin
Anna Stolz, geboren 1982 im unterfränkischen Werneck, absolvierte ihr Abitur am Siebold-Gymnasium Würzburg. Ihr Jura-Studium führte sie nach Würzburg, Barcelona und Münster. Nach beruflichen Stationen in zwei Kanzleien in Düsseldorf übernahm die heutige 41-jährige Juristin und Politikerin im Jahr 2014 das Amt der hauptamtlichen Bürgermeisterin in Arnstein. In dieser Funktion setzte sie sich besonders im schulischen Bereich engagiert ein. Seit 2018 ist Anna Stolz Mitglied des Bayerischen Landtags und bekleidete bereits in den vergangenen fünf Jahren als Kultusstaatssekretärin einen Platz im bayerischen Kabinett. Ihre langjährige Erfahrung und ihre aktive Beteiligung im schulischen Bereich spiegeln ihr tiefes Engagement für die Bildung und Entwicklung der Jugend in Bayern wider.
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt als Kultusministerin. Wir kennen Sie bereits als Staatssekretärin und von unserer LVV in Bamberg. Wie waren Ihre ersten Wochen im neuen Amt?
Ich war ja bereits in der letzten Legislaturperiode als Staatssekretärin mit vielen Abläufen vertraut und auch gut vernetzt, das hilft natürlich. Insofern konnte ich bereits die ersten Tage als Kultusministerin effektiv nutzen. Mir ist es wichtig, viel an den Schulen vor Ort zu sein. Da war beispielsweise der Besuch einer Förderschule gleich am ersten Tag meiner Amtszeit oder der Vorlesetag an einer Münchner Grundschule. Besonders eindrücklich war für mich auch mein Israel-Besuch kurz vor Weihnachten. In einer Zeit, in der Antisemitismus erschreckenderweise wieder stärker wird, war es mir auch wichtig, mit diesem Besuch ein klares Signal der Solidarität zu setzen.
Willkommen im Jahr 2024 – Was sind Ihre Vorsätze als neue Kultusministerin?
In den ersten 100 Tagen meiner Amtszeit möchte ich mit der ganzen bayerischen Schulfamilie ins Gespräch kommen: mit Lehrer- und Schulleiterverbänden, mit Elternverbänden und Schülervertretungen, mit dem Hauptpersonalrat und vielen weiteren Akteuren. Eines meiner zentralen Anliegen ist es, unsere Kinder stark zu machen und individuell zu fördern. Dafür brauchen wir starke Lehrkräfte, die durch unsere gezielte Unterstützung wieder mehr Zeit für die pädagogische Arbeit haben, beispielsweise durch den Abbau von Bürokratie und auch durch mehr Verwaltungskräfte und multiprofessionelle Teams.
In Bayern gibt es verschiedene Wege, Inklusion bestmöglich umzusetzen: Vielfalt schulischer Angebote, Inklusion einzelner Schüler, Schulen mit dem Schulprofil Inklusion, Kooperationsklassen, Partnerklassen. Haben Sie noch neue Ideen oder benötigt es vielleicht noch einen anderen Lösungsansatz?
Inklusion ist für mich ein Herzensanliegen, denn jedes Kind ist besonders und braucht ein spezifisches Förderangebot. Für das eine Kind ist die Förderschule die bessere Schule, für andere die Regelschule. Die Vielfalt der Angebote ist für mich eine große Stärke des „Bayerischen Wegs der Inklusion“. An den Förderschulen wird hervorragende Arbeit geleistet. Wir werden aber auch die Inklusion an den Regelschulen weiter ausbauen. Dafür werden wir mehr Personalressourcen schaffen und unsere Lehrkräfte gezielt fortbilden. Wir werden auch die inklusiven Regionen weiter ausbauen. Ich möchte, dass irgendwann ganz Bayern eine inklusive Region ist.
Die Verwendung von künstlicher Intelligenz – kurz KI – im Bildungswesen bietet zahlreiche Vorteile. Dennoch führt dieses Themenfeld nach wie vor zu Fragen und manchmal auch zu Skepsis. Wie stehen Sie zu dem Thema KI an Schulen?Bedarf es eines modernen Blicks darauf oder benötigt man vielleicht sogar Workshops oder eine Schulinterne Fortbildung (Schilf)? Bietet das Kultusministerium hierfür ein Angebot an?
KI an Schulen ist für mich zuallererst eine Chance: Wir können dadurch die Kinder und Jugendlichen sehr viel individueller fördern und auch Lehrkräfte entlasten, beispielsweise durch automatisiertes Feedback. Und wir wissen alle: Die Arbeits- und Lebenswelt verändert sich durch KI-Anwendungen rasant. Wir müssen den Kindern und Jugendlichen heute Kompetenzen vermitteln, die sie in der Welt von morgen brauchen. Dazu gehört für mich ganz entscheidend auch das Verständnis von KI – sowohl auf der technologischen Ebene wie auch, was ihre Chancen und Risiken betrifft. Dazu bilden wir auch unsere Lehrkräfte fort, schon heute machen digitale Themen und KI einen großen Teil unseres Fortbildungsangebotes aus und wir werden das Angebot auch noch erweitern.
Stichwort Alltagskompetenzen – Schule fürs Leben – Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler hier fächerübergreifend, lebensnah und anwendungsbezogen Kompetenzen für den Alltag erwerben? Wie kann man dies im Schulalltag umsetzen?
Ich bin davon überzeugt: Alltagskompetenzen machen unsere Kinder stark für das Leben innerhalb und außerhalb der Schule. Wissen über Ernährung und Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherverhalten, Haushaltsführung oder digitales Handeln sind wichtig für ein selbstbestimmtes Leben. Das Projekt „Alltagskompetenzen – Schule fürs Leben“ gibt es seit dem Schuljahr 2021/2022 und es ist für mich ein absolutes Erfolgskonzept. Wir werden uns mit allen Beteiligten genau überlegen, wie wir die Förderung der Alltagskompetenzen noch nachhaltiger und fester inden Schulen etablieren können.
Kommendes Schuljahr soll die sogenannte „Verfassungsviertelstunde“ als wöchentliches Format eingeführt werden. Wie genau soll dies umgesetzt werden?
Wir sehen mit Erschrecken, wie Antisemitismus und Extremismus in Teilen der Gesellschaft wieder zunehmen. Deshalb ist für mich ganz klar: Wir müssen eine klare Haltung zeigen und verdeutlichen, dass Demokratie kein Selbstläufer ist. Die Verfassungsviertelstunde ist dazu ein wichtiger Beitrag. Wir wollen dazu ein alltagsnahes Konzept erarbeiten. Wir werden die Lehrkräfte fortbilden und ihnen Material an die Hand geben. Und wir werden die vielen existierenden positiven Beispiele und Ideen aus der Schulfamilie natürlich mit einbinden.
Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse lesen schlechter als noch vor fünf Jahren. Das geht aus der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2021) hervor, die am 16. Mai 2023 veröffentlicht wurde. Die internationale IGLU-Studie bestätigt damit die Befunde des nationalen IQB-Bildungstrends 2021. Wie gehen Sie mit solchen Ergebnissen um und wie können wir das Lesen und die Sprachfähigkeit besser in den Schulalltag integrieren?
Lesen, Schreiben und Rechnen sind die Basiskompetenzen, die jedes Kind beherrschen sollte. Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass wir an unseren Schulen auch wieder die Freiräume schaffen, dass sich unsere Lehrkräfte gerade in der Grundschule auch wieder stärker auf diese ganz zentralen Kernelemente des Unterrichts konzentrieren können. Dabei ist die Leseförderung beispielsweise nicht allein Sache des Deutschunterrichts, hier müssen wir alle Fächer mit einbinden, beispielsweise in der Grundschule durch geeignete Sachtexte im Fach HSU. Bestehende, gut funktionierende Maßnahmen wie beispielsweise das Lesetraining FiLBY werden wir weiter ausbauen und wo immer möglich und sinnvoll auch neue Unterstützungsprogramme für unsere Lehrkräfte einführen und etablieren.
Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit der Beruf des Pädagogen wieder attraktiv wird und gesellschaftlich wertgeschätzt wird?
Spätestens seit der Pandemie weiß jetzt auch wirklich jeder, was wir an unseren großartigen Lehrkräften haben. Starke Kinder, das gibt es nur mit starken Lehrerinnen und Lehrern. Deshalb will ich unsere Lehrkräfte noch gezielter unterstützen und die Rahmenbedingungen wo immer möglich noch attraktiver machen. Mit A13 als Einstiegsgehalt für unsere Grund- und Mittelschullehrkräfte sowie den neuen Aufstiegsmöglichkeiten für unsere Förderlehrkräfte haben wir beispielsweise schon einiges geschafft. Auf diesem Weg werden wir weiter gehen. Das Wichtigste ist aber: Wir alle müssen immer wieder für das Lehramt werben und klar machen, was für ein erfüllender und sinnstiftender Beruf das ist. Dazu starten wir auch eine bayernweit angelegte Kampagne mit Lehramtsbotschafterinnen und -botschaftern für alle Schularten.