Teachers make the differenceFlexibilität im Lehramtsstudium

Lehrerin

Mit einem kleinen Satz rüttelt der Bayerische Ministerpräsident an den Grundfesten der bayerischen Schulen - und lässt Raum für viel Spekulation. Erst mehr Geld für Grund- und Mittelschullehrer (A13 in Stufen), dann mehr Flexibilität für alle Lehrer, und das schon im Studium und jetzt eine bundesweite Abwerbekampagne: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) tut gerade das, worauf manche in Bayerns Bildungslandschaft seit Jahren hoffen und was andere ebenso sehr fürchten: Er macht die Schulen zur Chefsache und lockt mit dem Kultusminister Lehrkräfte mit 3000 Euro Bonus in den Freistaat.

Wer als Lehrer nach Bayern geht, bekommt ab sofort satte 3000 Euro: Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (63, Freie Wähler) kündigte Anfang April 2023 eine Prämie für bestimmte Regionen (siehe Karte) an. 

„Die neue Regionalprämie ist ein zusätzlicher Anreiz, sich zum neuen Schuljahr in den bayerischen Schuldienst zu bewerben – gerade in ländlichen und grenznahen Regionen, in denen wir einen erhöhten Bedarf an Lehrkräften haben“, erklärt Piazolo.

Die Prämie gilt aber ausdrücklich für Absolventen aus anderen Bundesländern. Und hier will das bayerische Kultusministerium Lehrer aus anderen Bundesländern über die Grenze locken: Eine Karte des Ministeriums zeigt die betreffenden Regionen.

Die Regionalprämie soll ausgezahlt werden, wenn zum kommenden Schuljahr tatsächlich eine Festanstellung erreicht wird. Es ist egal, ob als Beamter oder als Angestellter. Dauer der Beschäftigung: mindestens zwei Jahre. Kleiner Schönheitsfehler an der 3000-Euro-Prämie: Sie muss versteuert werden, dürfte dadurch bei den meisten Neu-Lehrern um 40 bis 50 Prozent schrumpfen. Auch sonst dreht Bayern den Geldhahn für neue Lehrer auf: „Auch außerhalb der „Prämienregionen“ bestehen zum kommenden Schuljahr attraktive Einstellungsbedingungen. Insbesondere in Ballungsräumen wie München profitieren neu eingestellte Lehrkräfte von einer Neuregelung des Orts- und Familienzuschlags (Anmerkung der Redaktion: Über den wir in der letzten CB berichteten)“, sagte Piazolo.

 

 

Karte Lehrerprämien
Piazolo

Außerbayerische Bewerberinnen und Bewerber könnten zudem eine Umzugskostenvergütung erhalten - auch unabhängig von einem möglichen Einsatz in einer Prämienregion.

Andere Bundesländer reagieren empört, denn überall werden Lehrer gesucht. Thüringen erklärt das bayerische Vorgehen zum No-Go, andere werfen dem Freistaat einen "Raubzug" vor. Jahrelang war Lehrermangel in den bayerischen Schulen an der Tagesordnung, jahrelang forderten Eltern und Lehrerverbände, wie die KEG mehr Lehrkräfte vom Freistaat, aber jahrelang wurde diese Bitte nicht erfüllt. Derzeit fehlen tausende Lehrer in Bayern. Jetzt will Ministerpräsident Markus Söder eben die Schulpolitik zum Wahlkampfthema machen und 6.000 neue Lehrer einstellen. Doch woher nehmen?

Die Frage, was guten Unterricht ausmacht, beschäftigt hingegen Verbände, Lehrpersonen und Wissenschaftler seit Jahrzenten und die Situation ist nicht neu. Durch empirische Studien unterschiedlichster Art wird immer wieder versucht, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Merkmale den Schulerfolg entscheidend beeinflussen. Kaum einer Studie im Bereich der Schul- und Unterrichtsforschung wurde in den letzten Jahren eine solche Aufmerksamkeit zuteil wie der sogenannten »Hattie-Studie«.

Die Wissenschaft: 

Im Jahr 2009 veröffentlichte der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie die
Monografie »Visible Learning«. Dabei geht es um die übergeordnete Frage, welche
Merkmale für das schulische Lernen besonders relevant sind. Die Studie wurde im Jahr 2013 unter dem Titel »Lernen sichtbar machen« durch Beywl und Zierer übersetzt und damit auch im deutschsprachigen Raum noch einmal bekannter. Die Publikation wird als »Meilenstein in der Debatte um Voraussetzungen und Bedingungen erfolgreichen Lernens in der Schule« (Terhart 2014, S. 10) angesehen. Die zentralen Ergebnisse der Hattie Studie stellen die Lehrkraft in den Mittelpunkt.

Wegen Lehrermangel kommt aber eine Mehrbelastung auf die Lehrer im System zu. Doppelführung, Mehrarbeit, eine unglaubliche Elternarbeit, wesentlich mehr pädagogische Verantwortung und eine disruptive Gesellschaft fordern aktuell mehr denn je eine Lehrkraft. »Teachers make the difference«, heißt es als zentrales Ergebnis der Hattie-Studie. Obwohl der vielzitierte Satz »teachers make the difference« darauf hindeutet, dass der Bereich »Lehrperson« die stärkste Wirksamkeit aufweist, sind die Merkmale der Lernenden selbst die bedeutungsstärksten Faktoren. Sie klären, wenn man die Studien zusammennimmt, ungefähr bis zu 50 % der Varianz in den Schulleistungen auf. Das bedeutet, dass ungefähr die Hälfte der individuellen Unterschiede in den Lernleistungen auf Merkmale des Schülers – wie seine Intelligenz oder sein Vorwissen – zurückgeht. Auch wenn diese Lernmerkmale den stärksten Einfluss ausüben, stellt Hattie (2003) heraus, dass der Beitrag der Lehrperson und des Unterrichts ebenfalls sehr bedeutsam und für bis zu 30 % der Unterschiede in den Leistungen der Schüler verantwortlich ist. Damit ist der Einfluss der Lehrperson größer als der Einfluss schulisch-struktureller Merkmale. Demnach ist es für den Lernerfolg eines Kindes entscheidender, in welche Klasse es geht als welche Schule es besucht. Führt man sich vor Augen, dass die zentralen Lernprozesse innerhalb des Klassenraums vonstattengehen, überrascht dieses Ergebnis nicht. Es wird oftmals zum Anlass genommen, an Verbesserungen der Unterrichtsqualität anzusetzen, wenn es um eine wirksame Förderung der Schüler geht. Denn während Lehrpersonen nur wenig Einfluss auf die persönlichen Voraussetzungen der Schüler, ihre Familie und ihre Peers nehmen können und auch schulstrukturelle Maßnahmen schwieriger umsetzbar erscheinen, lässt sich der Unterricht durch Maßnahmen der Lehrperson gestalten und auch verändern.

Quereinsteiger als mögliche Lösung

Lehrerinnen und Lehrer sind im Jahr 2023 rar geworden. Und es fehlen so viele wie nie zuvor. Überall in Deutschland fehlen Lehrer. Manches Fach wird an einigen Schulen wochenlang nicht unterrichtet, Lehrer sind überlastet, und von den Universitäten kommen nicht genug ausgebildete Pädagogen nach. Schulleitungen sind verzweifelt auf der Suche. Manche machen sich nicht einmal mehr die Mühe, offene Stellen auszuschreiben, obwohl die Studie von Hattie gerade den Wert einer guten Lehrkraft in den Fokus stellt. Bis zum Jahr 2025 werden allein an Grundschulen mindestens 26.300 Lehrer bundesweit fehlen, warnte die Bertelsmann-Stiftung im September 2019. Die Kultusministerkonferenz (KMK) geht im Frühling 2023 von 25.000 fehlenden Lehrkräften bis 2025 aus. Damit sei die Lage noch dramatischer, als von der Kultusministerkonferenz (KMK) erwartet. Das öffnet die Tore für Quereinsteiger. Im Kampf gegen den Lehrermangel an den Schulen setzen daher viele Bundesländer auf Quereinsteiger. Sie haben Mathe, Sport, Musik oder Ähnliches klassisch studiert, aber nicht auf Lehramt. Trotzdem sollen sie den Personalmangel mildern. So stehen zum Beispiel Akademiker, die sich eigentlich auf einen Job im Labor oder im Büro vorbereitet haben, plötzlich vor einer Schulklasse.

Im Jahr 2018 waren der KMK zufolge 13,3 Prozent der Einstellungen in den öffentlichen Schuldienst Quereinsteiger – 4798 von insgesamt 36.084. Ein Jahr zuvor waren es 12,6 Prozent. Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger können – wenn sie richtig ausgebildet und gut verteilt werden – durchaus ein Gewinn für die Schulen sein. Quereinsteiger müssen sich allerdings das Fachwissen aneignen.

Die Wirtschaft als Ideengeber

Und die Idee kommt aus der Wirtschaft, denn gerade in gröβeren Unternehmen, oft Tech-Unternehmen, werden Mitarbeiter oft durch Lehrgänge und Intensivkurse weitergebildet, um weiterhin dem Betrieb erhalten zu bleiben. Das zahlt sich auch später aus: Verschiedene Studien zeigen, dass oft gerade die Mitarbeiter eine groβe Karriere machen, die über eine vielseitige Ausbildung verfügen und ihr Wissen einbringen. Doch auch die Qualifizierung von Quereinsteigern (Weiterbildung) kommt in vielen Bundesländern zu kurz, weil angesichts des Mangels selbst dafür zu wenig Zeit bleibt. Bundesweite Standards für eine pädagogische Vorbereitung der Quereinsteigenden vor dem Einsatz im Unterricht wären daher ein wichtiger Schritt. Aktuell benötigt ein Quereinsteiger in allen Bundesländern unterschiedliche Qualifikationen.

Entscheidend dafür, wie gut Kinder lernen, ist laut Hattie die Lehrkraft. Dabei zählt laut Hattie eben weniger die fachliche Kompetenz der Lehrperson, als vielmehr die pädagogische Fähigkeit etwa, eine professionelle Lehrer-Schüler-Beziehung herzustellen.

Genau aus diesem Grund ist es daher wichtig, das Lehramtsstudium auf die pädagogischen Facetten zu fokussieren, denn die inhaltliche Klarheit der Lehrperson gehört zu den stärksten Einflussfaktoren in der Studie von Hattlie. Der Quereinstieg kann nicht die einzige Stellschraube sein, wenn die Bildungsqualität stabil bleiben soll, es muss auch am Studium gearbeitet werden.

Zukunftsgestaltung mit der Erfahrung der KEG Bayern

Wie der Lehrkäftemangel nachhaltig angegangen werden kann und vor allem, wie wir es schaffen können, weiterhin genug junge Menschen für das Lehramt der Mittel- und Förderschule zu gewinnen, darüber hat sich die KEG Bayern mit ihren Referaten und Gremien einige Jahre lang intensiv beschäftigt. Was dabei herausgekommen ist, ist unserer KEG Lehrerbildungsmodell, das Ministerpräsident Söder grundsätzlich spannend findet und in gemeinsamen Gesprächen mit uns vorantreiben will.