Master vs. MeisterDer Mehrheit der Jugendlichen fehlt der Durchblick bei der Berufswahl. Hilft die Frage nach dem Gehalt?

Nach der Lehre den Meister anschließen oder doch lieber ein Studium? Diese Entscheidung beeinflusst das Einkommen über einen langen Zeitraum hinweg – ja sogar das ganz Leben. Ist diese Entscheidung so einfach?

Die Mehrheit aller Jugendlichen (53 Prozent) findet sich in den vielfältigen Informationen zum Thema Berufswahl nur schwer zurecht, so die aktuelle Studie der Bertelsmann Studie aus dem Jahr 2022. Nur 37 Prozent der Befragten schätzen die Unterstützung bei ihrer beruflichen Orientierung als ausreichend ein. Für fast drei Viertel (73 Prozent) der Jugendlichen sind die Eltern die wichtigsten Unterstützer. Auch 55 Prozent der Befragten gaben an, dass die Lehrkraft bei der Berufswahl unterstützt.

 

 

Wenn es um die Suche nach dem passenden Beruf geht, ist nur ein Viertel der Jugendlichen davon überzeugt, dass es genügend Informationen zur Berufswahl gibt und man sich darin auch gut zurechtfindet. Demgegenüber sind 53 Prozent der Jugendlichen mit dem Informationsangebot überfordert. Immerhin weiß etwas mehr als jeder zweite Jugendliche (56 Prozent) „sehr gut“ oder zumindest „eher gut“ über den angestrebten Beruf Bescheid. Dies sind die Ergebnisse einer Umfrage im Auftrag der Stiftung, für die das Institut icon-kids & youth bundesweit 1.666 Jugendliche befragt hat.

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Trotz Digitalisierung: Die wichtigsten Informationsquellen sind immer noch Menschen

Trotz Digitalisierung: Die wichtigsten Informationsquellen sind immer noch Menschen. Jugendliche sind bei der Berufsorientierung weniger digital orientiert als vermutet: Die wichtigsten Informationsquellen sind für die Hälfte der 14- bis 20-Jährigen (48 Prozent) Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern, Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Berufsberaterinnen und -beratern. Erst dann folgen mit 40 Prozent Informationen, die sie sich selbst anlesen und mit ebenfalls 40 Prozent Praktikumsplätze. „In der Corona-Krise wurde zu Recht eine zügige Digitalisierung der Berufsorientierung eingefordert“, sagt Ausbildungsexpertin Claudia Burkard. „Dabei dürfen wir aber nicht übersehen: Die direkte Erfahrung und das persönliche Gespräch sind für viele Jugendliche immer noch essenziell.“

Eltern und Lehrer bleiben die wichtigsten Unterstützer bei der Berufswahl.

Die wichtigsten Unterstützerinnen und Unterstützer bei der Berufswahl sind für drei Viertel (73 Prozent) der jungen Menschen nach wie vor die Eltern. Danach folgen die Schule bzw. Lehrerinnen und Lehrer mit 55 Prozent. Die Berufsberatung der Arbeitsagentur landet hier mit 36 Prozent nur auf dem vierten Platz, noch hinter der Unterstützung durch das Internet (48 Prozent). Allerdings gibt es große Unterschiede. Bei Jugendlichen mit niedriger Schulbildung werden nur 61 Prozent der Befragten von den Eltern unterstützt. Hier ist der Anteil derer, die sich durch die Berufsberatung der Arbeitsagentur unterstützt sehen, mit 51 Prozent deutlich höher. „Wenn Eltern bei der Berufswahl nicht helfen können, werden die Gesprächs- und Beratungsangebote der Schule und der Bundesagentur verstärkt genutzt“, betont Burkard. Auffällig ist auch, dass 25 Prozent der Jugendlichen mit niedriger Schulbildung sagen, dass sie sich nicht gerne mit dem Thema Berufsorientierung beschäftigen. Der Durchschnitt aller Befragten liegt bei 17 Prozent. „Diejenigen Jugendlichen, die wenig positive Erfahrung mit Berufsorientierung gemacht haben, bewerten auch ihre überfachlichen Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Tatendrang und Selbstvertrauen kritischer. Angebote zur Berufsorientierung müssen daher vor allem die Motivation der Jugendlichen stärken und sie dabei unterstützen, sich selbstständig Informationen zu verschaffen und diese zu bewerten,“ erklärt Burkard.

BIZ-Portal der Bundesagentur am bekanntesten

Immerhin: Wo sie sich informieren können, wissen die allermeisten Jugendlichen. Das Berufsinformationszentrum der Bundesagentur für Arbeit „BIZ“ kennen 65 Prozent der befragten Jugendlichen, dahinter folgt planet-beruf.de, ein digitales Angebot der Arbeitsagentur mit 38 Prozent. An dritter Stelle folgen die Online-Portale der Industrie- und Handelskammern mit 31 Prozent. Außerdem kennen viele Jugendliche noch die Angebote von berufswahlhelden. de, aubi-plus.de, berufenavi.de und stuzubi.de (23 bis 19 Prozent).

Sind die Berufsabschlüsse Meister und Master wirklich so entscheidend und vergleichbar?

Die Vergleichbarkeit dieser Bildungsabschlüsse wird schon lange diskutiert und siehe da: Die berufliche und akademische Bildung ist sogar gleichwertig – und dies ist sogar sichtbar. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) ordnet den Qualifikationen des deutschen Bildungssystems acht Kompetenzniveaus zu und macht damit das deutsche Bildungssystem transparenter. Es geht beim DQR nicht um isolierte Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern um die Fähigkeit und die Bereitschaft zu fachlich fundiertem und verantwortlichem Handeln. Der DQR bezieht dabei Fachkompetenz sowie personale Kompetenz in die Bewertung der jeweiligen Qualifikation ein. Es fällt auf, dass im DQR der vermeintlich höhere – akademische – Bildungsweg nicht unbedingt als der Weg zu größeren Kompetenzen angesehen wird. So ist das Abitur im Niveau 4 einsortiert, der Abschluss einer drei- oder 3,5-jährigen beruflichen Ausbildung findet sich aber ebenso im Niveau 4. Mit einer auf die Ausbildung folgenden beruflichen Fortbildung (beispielsweise zum Fachwirt oder Meister) kann man bereits Niveau 6 erreichen und ist damit auf demselben Niveau wie ein Student mit Bachelor-Abschluss. Absolviert man in der Folge die Weiterbildung zum Betriebswirt oder technischen Betriebswirt, so ist man auf Niveau 7. Dasselbe Niveau erreicht ein Abiturient, der nach dem Bachelor auch noch einen Masterstudiengang erfolgreich absolviert. Dabei sind die Chancen einer höheren Berufsbildung riesengroß: Fachwirte, Meister oder Betriebswirte kommen häufiger in direkte Personalverantwortung als ihre Kollegen mit akademischem Abschluss.

Zudem haben Absolventen einer höheren Berufsbildung die sichersten Arbeitsplätze. Nur 1,8 Prozent von ihnen sind aktuell arbeitslos. Bei den Hochschulabsolventen sind es hingegen 2,5 Prozent. Diesen Trend wird der wachsende Fachkräftemangel wohl noch verstärken. 

Master vs. Meister – Was bringt mehr Geld aufs Konto?

122.000 Euro: So viel Geld haben Männer (Frauen), die im Anschluss an eine Lehre die Ausbildung zum Meister oder Techniker absolviert haben, zwölf Jahre nach Beendigung ihrer Ausbildung im Durchschnitt mehr verdient als ihre Kollegen aus der Lehrzeit, die danach zum Studium an eine Hochschule oder Universität gewechselt haben, so eine Studie des Lehrstuhls für BWL, Personal und Organisation der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Oder anders formuliert: Meister bekamen in diesen zwölf Jahren gute vier Jahreseinstiegsgehälter, die vergleichbare Akademiker nach ihrem Studium erzielen können, mehr auf ihr Gehaltskonto eingezahlt. Vorgelegt haben die Studie Lehrstuhlinhaber Thomas Zwick und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Veronika Lukesch.

Einkommensplus von 165 Prozent für den Meister

Demnach verdienen Arbeitnehmer mit einem Meister oder Technikerabschluss über einen langen Zeitraum hinweg deutlich mehr als vergleichbare Akademiker. Fünf Jahre nach Abschluss der Lehre liegt ihr gesamtes bis dahin erzieltes Einkommen um durchschnittlich 165 Prozent über dem von Akademikern. Und selbst nach zehn Jahren sind bei ihnen immer noch 45 Prozent mehr auf dem Konto gelandet. „Dieser große Verdienstvorteil für beruflich Ausgebildete ist vor allem eine Folge der Tatsache, dass Akademiker eine etwas längere Ausbildungsphase haben, die Einstiegslöhne für Meister und Akademiker hingegen vergleichbar sind“, erklärt Zwick. Zudem seien während der Fortbildung zum Meister oder Techniker die Beschäftigungschancen höher als während eines Studiums.

Mit rund 122.000 Euro erreicht der Verdienstunterschied dieser beiden Gruppen gut 13 Jahre nach dem Ende der Lehrzeit ihr Maximum. Erst danach beginnt eine langsame Trendwende. Auch nach 16 Jahren – dem Ende des Beobachtungszeitraums dieser Studie – beträgt das Plus in der Kasse der beruflich Ausgebildeten immer noch 107.000 Euro. „Geht man davon aus, dass sich der Rückgang des finanziellen Vorteils im gleichen Tempo fortsetzt, wäre er erst mehr als 20 Jahre später oder etwa 35 Jahre nach dem Ende der Lehrlingsausbildung verschwunden“, erklärt Zwick. Die Beschäftigten wären dann bereits 57 Jahre alt.

„Der wichtigste Aspekt der Arbeit ist, dass die realen Einkommensverläufe von Meistern und Akademikern vergleichbar gemacht werden“, so die beiden Autoren. Denn neben der Wahl des Ausbildungspfades bestimmen viele – oft unbeobachtbare – Faktoren das Lebenseinkommen. „So können wir davon ausgehen, dass mehr Akdemiker gerne komplexe und abstrakte Fragestellungen lösen als Meister – diese Fähigkeit wird jedoch auf dem Arbeitsmarkt belohnt“, sagt Zwick. Um deshalb einen fairen Verdienstvergleich zwischen den beiden Gruppen zu gewährleisten, wurden im Rahmen der Studie jeweils Pärchen von einem Meister und einem Akademiker gebildet, die während der Ausbildungsphase möglichst identisch waren. So haben sie beispielsweise sehr hohe Ähnlichkeiten bei Ausbildungsberuf, Eintrittsjahr in Ausbildung, schulische Bildung, Einkommen während der Lehre und viele weitere Charakteristika. Die Einkommensdifferenzen dieser sogenannten Datenzwillinge dienen als Basis der Analyse.

Am Ende wendet sich das Bild

Trotz Digitalisierung: Die wichtigsten Informationsquellen sind immer noch Menschen. Jugendliche sind bei der Berufsorientierung weniger digital orientiert als vermutet: Die wichtigsten Informationsquellen sind für die Hälfte der 14- bis 20-Jährigen (48 Prozent) Gespräche mit Lehrerinnen und Lehrern, Ausbilderinnen und Ausbildern sowie Berufsberaterinnen und -beratern. Erst dann folgen mit 40 Prozent Informationen, die sie sich selbst anlesen und mit ebenfalls 40 Prozent Praktikumsplätze. „In der Corona-Krise wurde zu Recht eine zügige Digitalisierung der Berufsorientierung eingefordert“, sagt Auch wenn es lange dauert, bis sich ein Studium im Anschluss an eine Lehre finanziell lohnt, spricht doch viel dafür, dass Absolventen dieses Weges insgesamt ein höheres Lebenseinkommen erzielen als ihre einstigen Kollegen, die den beruflichen Weg der Ausbildung (Meister) eingeschlagen haben. Dafür sind dann die Einkommen verantwortlich, die sie ab einem Alter von rund 57 Jahren bis zum Eintritt in die Rente erzielen. Ob Akademiker tatsächlich ein höheres Lebenseinkommen haben als vergleichbare Meister, wird aktuell von Zwick und Lukesch untersucht. Wir bleiben für Sie dran.