Heute bereits an das Morgen denken! Die Landesvorsitzende der KEG Bayern erklärt im Interview die Forderungen der abl zum Thema BNE

Walburga Krefting

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist seit dem Jahr 2003 fest im bayerischen Lehrplan verankert. Gemeint ist eine Bildung, die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt. Sie ermöglicht jedem einzelnen die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen. Doch hat sich die Welt in den letzten Jahren wirklich nicht geändert oder ist sie vielleicht doch eine andere geworden? Die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerverbände (abl) präsentierte am 11. Juli 2022 einen Forderungskatalog, um die BNE upzudaten. Warum? Die Landesvorsitzende der KEG Bayern Walburga Krefting klärt auf.

Am 11. Juli 2022 stellten Sie mit der abl die Forderungen für ein Update des BNE vor. Warum jetzt? Was war der Anlass?

In den Ferien spürten wir alle die extreme Hitze, die in den nächsten Jahren nicht niedriger werden wird. Experten sprechen davon, dass sich Deutschland an die 40 Grad im Sommer gewöhnen muss. Der menschgemachte Klimawandel ist in aller Munde. Der Mensch benötigt die Erde aber die Erde den Menschen nicht. Unsere Schülerinnen und Schüler gingen bei Friday for future auf die Straßen, weil sie sich zurecht um ihre Zukunft sorgen.

Der IPCC Bericht unterstrich zudem im April 2022 genau diese Situation und war daher für uns nochmal Anlass genau auf unsere Schulen zu blicken. Natürlich geben bereits jetzt unsere engagierten Lehrerinnen und Lehrer alles, um dieses Thema den Schulkindern nahe zu bringen. Wir müssen aber von politischer Seite hier mehr Unterstützung für dieses brennende Thema für unsere Kolleginnen und Kollegen erhalten. In der Ukraine wird in diesen Zeiten ein Atomkraftwerk beschossen, mich bewegt das alles wirklich sehr, daher müssen wir die Zukunftsthemen noch mehr in die Schulen bringen. Natürlich brauchen wir aber auch die Mittel dafür.

Nun ist das Thema seit 2003 bereits im Lehrplan enthalten, das sind fast 20 Jahre. In diesen 20 Jahren hat sich viel verändert. Warum hat man in den letzten Jahren den Lehrplan hier nicht angepasst?

Die ganze Schulfamilie muss sich über Jahre auf den Lehrplan verlassen können. Es wäre fatal, hier immer wieder was zu verändern, denn der Lehrplan gibt unserer Schulbildung das Grundgerüst. Es werden schon wirklich viele Facetten der BNE bereits angesprochen und unsere Lehrerinnen und Lehrer passen den Lehrplan in ihrem Unterricht dem Alltag an. Jeder Schüler und jede Schülerin kann darin das individuelle Feuer und das individuelle Talent entdecken und bestens vorbereitet in den Beruf gehen.

Aber der IPCC und viele politische Geschehnisse machen es jetzt notwendig, die Nachhaltigkeit mehr in die Schulen und Kitas zu bringen. Vor allem aber brauchen wir in der Schule und im Übrigen auch in der Kita die Ressourcen dafür. Die Welt hat sich rasant verändert. Nicht nur der fortschreitende Klimawandel, sondern auch neue Technologien, Infrastrukturen und Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung sind entstanden. Noch nie war die Verfügbarkeit von Wissen so präsent wie jetzt. Und dennoch sind wir „beschränkt“, weil wir immer auf Vergangenes, Erprobtes und Bewährtes blicken und versuchen, damit die Zukunft zu beschreiben. Wir haben das Knowhow und auch alle Werkzeuge, um die Zukunft nachhaltig zu gestalten – wir brauchen aber das Bewusstsein, dafür neue Wege und Denkmuster zuzulassen.

Wir müssen, wie uns das Gehen oder Fahrradfahren beigebracht wurde, wieder lernen, dass Hinfallen und Optimieren wichtig sind und nur so Fortschritt und Innovation entstehen können. Unsere Gesellschaft benötigt daher ein Update, um hier neue Räume und Möglichkeiten für genau das zu schaffen. Ein aktuelles Thema ist bspw. die Energiekrise – Kinder wie wir alle müssen das Sparen wieder neu lernen. Auch ein Thema für die Schule. Sie sehen, es gibt genug Beispiele und Anlässe.

Viele Stimmen sagen, die Nachhaltigkeit ist etwas für die weiterführenden Schulen wie die Mittelschule, Realschule, Gymnasium – warum setzt sich die KEG so immens dafür ein?

Weil die Fundamente bereits in der Kita und in der Grundschule gelegt werden müssen. Das Bewusstsein wird so bereits früh geweckt und man kann dann in den weiterführenden Schulen auf etwas aufbauen. Man darf nämlich nicht vergessen, dass jeder von der Kita bis zur Hochschule bei der KEG Mitglied sein kann. Unser Vorteil: Wir verknüpfen alle Stufen der Bildung und sind vielleicht auch deswegen ein gern gesehener Gast in den Ministerien. Die Nachhaltigkeit muss überall Thema sein und muss aufeinander aufbauen. Die KEG ist der Verband, der das große Ganze im Blick hat und keine Insellösungen für eine bestimmte Schulart erfindet.

Im Übrigen dürfen die Mittelschulen als entscheidende Stütze der Gesellschaft nicht noch mehr vergessen werden. Gerade dort entstehen die kreativen Berufe, vor allem das Handwerk. Diese Kreativität ist unsere Zukunftskompetenz und genau da gilt es, die Nachhaltigkeit einzumassieren. Jetzt!

Sie sagen: Kreativität ist die Zukunftskompetenz. Wie bekommt man diese Kompetenz in den Schulalltag?

Indem man Schülerinnen und Schülern die Notwendigkeit der Veränderung aufzeigt. Wir leben in ganz „unruhigen“ Zeiten, die kreativer Lösungen bedürfen. Wir haben bereits während Corona gesehen, dass manche bequemen Wege nicht immer die besten waren. Wir müssen, ob im Klimawandel, in der Bildung, im Finanz- oder Politiksektor wie auch bei den Transportmitteln und vielen anderen Bereichen, auch teilweise komplett neue Wege erproben und gehen.

Zeitgleich müssen wir Denkmuster aufbrechen, weil die Welt sich verändert hat – ja eine andere geworden ist. Wir gehen auch als Verband hier komplett neue Wege. Was damals funktioniert hat, ist heute definitiv outdated. Also: Was früher funktioniert hat, kann möglicherwiese morgen nicht mehr so funktionieren. Wir haben während Corona gemerkt, wie teilweise Freundschaften und Familien weggebrochen sind. Nun wackeln die Benzinpreise, die Lebensmittel werden teurer und die Versorgung mit Öl, Strom und Gas scheint nicht mehr sicher zu sein. Wir brauchen hier einfach neue Ideen und schlussendlich Zukunftstechnologien.

Diese komplexen Themen müssen frühzeitig in den Köpfen unserer jungen Talente manifestiert werden, um sie darauf vorzubereiten, welche Szenarien kommen können. Stellen Sie sich nur einen Tag ohne Strom vor: Wie machen Sie Ihren täglichen Kaffee? Wie bügeln Sie Ihre Bluse? Wie kommen Sie in die Arbeit? Und wie geht Schule ohne Strom, Handy, Heizung oder eben Smartboard? Das trifft auch unsere Kleinsten.

Unsere Zukunft benötigt neue Denkweisen und Ideen. Erfolg hat bekanntlich drei Buchstaben (TUN). Wir müssen hier frühzeitig und schnell vom Denken ins Handeln übergehen, dies jedoch bedarf eben einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Bildung, die in der Kita beginnt und bis zur Hochschule mit finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet werden muss.

Warum haben sich die Verbände für ausgerechnet dieses Thema zusammengetan?

Eben weil wir vorleben wollen, dass es unser aller Erde ist. Wir Menschen brauchen die Erde und wir brauchen uns. Die Erde benötigt uns allerdings nicht. Alleine wird man die Zukunft nicht ändern können. Wir müssen gemeinsam anfangen und einen Weg ebnen.

Die abl ist zudem der größte Zusammenschluss und mit Experten der jeweiligen Verbände besetzt. An dieser Stelle noch ein Denkanstoß an die tolle Steilvorlage des VLB, an der wir als abl gemeinsam weitergearbeitet haben und die letztendlich in unserem Forderungskatalog kommuniziert wurde. Der Verband der Lehrer an Berufsschulen (VLB) hatte nämlich schon vor einigen Monaten (bereits vor der Veröffentlichung des IPCC -Reports) mit einer groß angelegten Fachtagung zum Thema BNE diesen großen Stein ins Rollen gebracht. Wir als abl erkannten sofort, dass wir dieses Thema gemeinsam anschieben und treiben müssen und wollen.

Wie nahm die Politik Ihre Forderungen auf?

Nun, das wird sich zeigen. Natürlich gehen wir davon aus, dass unsere Forderungen berücksichtigt und beachtet werden. Aber, dass wir immer häufiger und detaillierter darüber reden zeigt, dass sich das Bewusstsein dafür ändert. Ich bin mir sicher, dass sich hier in den nächsten Jahren, auch Dank der vielen Kolleginnen und Kollegen, die allesamt das Thema treiben, etwas ändern wird. Gemeinsam in der abl werden wir dafür einstehen und unsere Kinder werden es uns danken!