Humans of KEG:
Unsere KEG-Mitglieder stellen sich vor und erzählen ihre ganz persönliche Geschichte!
Jeder von uns kennt diese Paare, die den gleichen Anzug tragen und niemals allein irgendwo auftauchen. Dann wieder gibt es Paare, bei denen man sich fragt, wann sie sich überhaupt sehen und was sie wohl gemeinsam auf ein Cover einer Bildungszeitung führt. Die Bedürfnisse nach Freiheit und Bindung sind bei jedem Menschen anders ausgeprägt, und was der eine als einengend empfindet, ist für den anderen gerade nah genug. Wenn zwei Menschen sich also zu einem Paar zusammentun, gehen sie damit einen sensiblen Tanz ein zwischen Verschmelzung und Abgrenzung. Wie aber findet man eine gesunde Mitte zwischen Selbstverwirklichung und Glück? Unser Paar für diese CB sind daher ganz besondere und einzigartige Menschen der KEG, die nicht nur auf dem Cover ein Paar ergeben, denn beide kennen sich schon sehr lange.
Die Meinung dieser zwei Männer ist nämlich immer gefragt, weil sie individuell für unsere KEG wirken und sich sehr verdient gemacht haben. Sie haben sicherlich unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen aber ihr Herz schlägt durch und durch für unsere KEG. Sie beide müssen und mussten immer wieder Entscheidungen treffen, die ihr Umfeld ebenfalls betrafen und noch heute betreffen. Etwa wenn es um eine neue Serie im BR geht oder aber wenn es um einen guten Rat in der KEG geht. Manchmal geht es aber auch nur um alltägliche kleine Dinge. Jeder Mensch hat individuelle Bedürfnisse und diese hören auch nicht auf, nur weil man eine Bindung, beispielsweise zur KEG eingeht, vielleicht fangen sie deswegen gerade an. In dieser Ausgabe der CB stehen unser geistlicher Beirat Pfarrer Rainer Maria Schießler und unser Ehrenvorsitzender Kurt Neudert daher bewusst im Mittelpunkt. Beide waren kurz vor Weihnachten in unserem Studio und haben sich neben dem Shooting sehr viel Zeit für unsere Fragen genommen, die sie unabhängig voneinander beantwortet haben.
Es war eine sehr große Freude! Vielen Dank an euch beide!
Fragen an:
Kurt Neudert
Ehrenvorsitzender der KEG Bayern
1. Wieviel Freiheit braucht Bindung? Wieviel Bindung braucht Freiheit?
Bindung ist heute eher negativ belegt, gleichgesetzt mit Vorgaben, Grenzen, Fremdbestimmung, Einengungen. Freiheit wird oft absolut gesehen. Der Mensch kann ohne Bindungen nicht frei sein. Bindung schafft Freiheit, das Leben verantwortungsvoll als freier Mensch zu gestalten. So viel Bindung wie nötig, so viel Freiheit wie möglich.
2. An wen oder was fühlen Sie sich besonders gebunden?
Wir sind abhängig von gutem Klima, Luft, Wasser, Natur. Wir leben in Bindung zur Welt, an Ehepartnerin bzw. Ehepartner, an Beruf, an die Religion. Bindung gibt Orientierung und Halt, besonders in Krisen und schweren Zeiten. Absolute Freiheit gibt es nicht, Freiheit bedingt Bindung.
3. Bindung und Bildung trennt nur ein Buchstabe. Ist das Zufall?
Der eine unterschiedliche Buchstabe ist mir bisher nicht aufgefallen. Bindung und Bildung bedingen sich gegenseitig. Ohne gewisse Bindung ist echte Bildung gar nicht möglich.
4. Wieviel Freiheit steckt in unserem Bildungssystem?
Das Bildungswesen braucht zwar gewisse Vorgaben und Festlegungen, aber die Lehr- und Bildungspläne lassen dabei viele Freiheiten, wie beispielsweise bei der Auswahl der Lerninhalte, der Methoden oder der Gewichtung. Der Pädagoge muss diese Freiheiten nutzen und nicht sofort nach Regelungen rufen. Dabei gilt: Weniger verbindliche Regelungen und dafür Vorgaben auf ein Minimum beschränken.
5. Was muss sich im Bildungssystem ändern, um die Schönheit der Freiheit, in der wir leben, mehr in den Fokus zu heben?
Dringend erforderlich wären Streichungen und eine Entrümpelungsaktion, um Freiräume zu schaffen. Dann könnten aktuelle Gegebenheiten der Gesellschaft noch stärker aufgegriffen werden. Wenn freie Stellen entdeckt werden, nicht sofort nach Regelungen rufen, sondern den Mut haben, selbst Entscheidungen zu treffen. Das Ministerium sollte Lehrkräfte ermuntern und in Fortbildungen anleiten, Freiräume und Freiheiten ganz bewusst zu nutzen.
6. Wieviel Freiheit bleibt Ihnen in der Bindung an Ihre Aufgaben und Ziele im Beruf?
Wir haben in den Bildungsplänen Freiräume. Es gilt, sie entsprechend zu nutzen. Dabei kommt es entscheidend auf die einzelne Lehrkraft an. Bei Entscheidungen für die jungen Menschen müsste gelten: Was nicht ausdrücklich untersagt ist, ist im Sinne der jungen Menschen erlaubt. Den Mut haben, auch einmal ganz unkonventionell zu entscheiden.
7. Viele unserer Mitglieder haben nach dem Krieg die KEG wieder aufgebaut und genießen heute eine Freiheit, die für sie nicht selbstverständlich war. Was können wir heute aus der Vergangenheit lernen?
Die Zeiten ändern sich, wir haben heute eine ganz andere Situation als vor 50 oder 60 Jahren. Die KEG muss sich auf ihrem klaren Wertestandpunkt den aktuellen Herausforderungen stellen und auf der Basis des christlichen Menschenbildes glaubwürdige Antworten geben und nicht allen Moden nachlaufen. Credo der KEG muss auch sein, neue Mitglieder zu werben, die Zukunft des Verbandes zu gestalten und bestehende Mitglieder zu halten und zu pflegen. Dazu können alle Altersgruppierungen ihren Beitrag leisten.
8. Wie sehen Sie die KEG heute? Was wünschen Sie uns?
Ich sehe die KEG mit der aktuellen Vorstandschaft auf einem guten Weg. Es wird weniger verwaltet als vielmehr mitgestaltet. Die KEG ist präsent, ist gut eingebunden in andere Verbände, macht u.a. in der CB ein gutes Bild und gibt Antworten auf der Basis des christlichen Wertestandpunkts. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht primär Personen, sondern die KEG als Ganzes. Das macht Freude und Mut.
Fragen an:
Pfarrer Rainer Maria Schießler
geistlicher Beirat der KEG Bayern
1. Wieviel Freiheit braucht Bindung? Wieviel Bindung braucht Freiheit?
Wie wir es im Lateinunterricht gelernt haben: So wörtlich wie nötig und so frei wie möglich, also: So viel Bindung wie nötig, dass man genügend Halt findet und so viel Freiheit wie möglich, dass man sich unentwegt weiterentwickeln kann! Wieanders sollte man da eine Mengenangabe machen können? Es gibt kein Pfund oder Kilo Freiheit oder Bindung. Es sind immer die jeweilige Situation, Herausforderung und persönliche Befähigung, die das jeweilige und variierende Maßverhältnis definieren.
2. An wen oder was fühlen Sie sich besonders gebunden?
Zunächst ist meine Herkunft, Prägung und Erziehung der wichtigste Grundpfeiler. Dazu gehört natürlich auch mein christlicher Glaube, auch der wurde mir anerzogen, in Liebe und sehr erfolgreich. Dann spielt die persönliche Verpflichtung und Verantwortung meinem Nächsten gegenüber eine unersetzbare Rolle. In diesem Sinne bin ich immer auch zugleich Gott selbst verpflichtet. Daher hat Christus den wunderbaren Dreiklang Gottes-, Nächstenund Selbstliebe entwickelt und zur Revolution innerhalb aller Religionen uns als Erbe hinterlassen.
3. Bindung und Bildung trennt nur ein Buchstabe. Ist das Zufall?
In der deutschen Sprache ist das so, das stimmt. In den anderen Sprachen wie Englisch, Italienisch, Französisch usw. sind es zwei verschiedene Wörter. Aber dass Bildung und Bindung einen inneren Zusammenhang haben, gleich in welcher Sprache, ist unbestreitbar. Bildung ist kein Zufallsprodukt, ist abhängig vom Tun des Lehrenden, Bildung weiterzugeben und vom Willen des Lernenden, Bildung anzunehmen und aufzuarbeiten. Beide sind aneinander gebunden und je ernsthafter und aufmerksamer diese Bindung geschieht, umso größer ist die Chance auf Entfaltung, was den gesamten Bereich der Bildung betrifft. Noch einfacher: Desinteressierte Lehrer und/oder Schüler werden es kaum zu nennenswerten Ergebnissen bringen. Der Merksatz „Fördern durch Fordern“ drückt dasselbe nur noch etwas markanter aus.
4. Wieviel Freiheit steckt in unserem Bildungssystem?
Nun bis auf das Wort „Schulpflicht“ erkenne ich wenig Unfreiheit. Mehr entdecke ich da Möglichkeiten, die es allen Lern- und Bildungswilligen ermöglichen, sich Wissen und Können anzueignen. Niemand in unserem Land wird gehindert, keinem wird es verwehrt, wenn er in unserem Bildungssystem weiterkommen möchte. Darum ist es so wichtig, soziale Ungerechtigkeit, die das dennoch verwehren könnte, im Keim zu ersticken und für Abhilfe zu schaffen. Aber jeder ist grundsätzlich frei, sich für den ihn allein passenden Bildungsweg mit seiner persönlichen Leistung zu interessieren und zu gehen!
5. Was muss sich im Bildungssystem ändern, um die Schönheit der Freiheit, in der wir leben, mehr in den Fokus zu heben?
Wenn ich an meine Schulzeit denke, war dieses vor allen in der Klasse abgefragt und u. U. gedemütigt zu werden, ein immer wiederkehrendes Fiasko für mich, das mir Angst machte. Genau das darf sich nie wiederholen. Unsere uns anvertrauten Schüler sollen Spaß und Freude, Lust am Entdecken und Erforschen, Bestätigung im Bewahren und Verarbeiten des Gelernten erfahren und nicht Druck, Zwang oder Einschüchterung. Nur wer frei ist und sich so fühlt, kann sich auch für andere und anderes interessieren. In der Bibel gibt es den Satz: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Ich drehe ihn gerne mal um: „Erst die Freiheit macht euch wahr, also überzeugend!“ Darum muss in allen Belangen unseres Bildungssystems die Freiheit erkennbar sein, damit Bildung auch wirklich Bildung und Bereicherung sein kann und nicht zur Indoktrination verkommt wie in totalitären Systemen. Wir sehen doch, wie in Ländern wie dem Iran und unter solchen Regimen der Geist der Freiheit ganz offen auf der Straße vernichtet wird. Das sollten alle bedenken, die heute in unserem System öffentlich gegen die Demokratie, so wie wir sie haben dürfen, auf die Straße gehen.
6. Wieviel Freiheit bleibt Ihnen in der Bindung an Ihre Aufgaben und Ziele im Beruf?
Ich hab es unglaublich gut. Mein Beruf, sage ich immer, bietet mir die größten Freiheiten, die man haben kann. Ich habe Kirche immer als eine ganz große Ideenwerkstatt und Kreativgemeinschaft empfunden und erlebt. Kirche hieß für mich immer, wir brechen auf, entwickeln immer neu, lassen uns neue Dinge einfallen und leben diese untrennbare Verbindung von Tradition und Phantasie. Am deutlichsten erlebe ich es in der Bibelarbeit: Das sind Jahrtausende alte Texte, die schon immer betrachtet, kommentiert und verbreitet werden und es hört nie auf, dass uns neue Gedanken und Erkenntnisse erreichen. Warum soll ich mich an Strukturen in einer Kirche abarbeiten, die sich ohnehin ganz von selber neu nachstellen? Ich halte es mit Paulus, wenn er sagt: Prüft alles, das Gute behaltet!
7. Viele unserer Mitglieder haben nach dem Krieg die KEG wieder aufgebaut und genießen heute eine Freiheit, die für sie nicht selbstverständlich war. Was können wir heute aus der Vergangenheit lernen?
Dass Freiheit ein schützenswertes und verpflichtendes Gut ist, das niemand von uns einfach so vernachlässigen darf.Meine Freiheit endet dort, wo sie dem Nächsten schadet. Freiheit ist immer auch Selbstverpflichtung zur Verantwortung. Wir errichten Mahn- und Denkmäler, damit sie uns stets erinnern, an was wir gebunden und wem wir verpflichtet sind: Dem Leben als solchem, das jedem gleichermaßen zusteht. Was da gerade in der Welt passiert mit Millionen über Millionen an Flüchtlingen und Toten, Hunger und Elend einerseits und unbegreiflicher Luxus andererseits bringt unsere Welt doch bereits massiv ins Wanken. Wir müssen unbedingt darauf achten, dass das aufhört und wir den berühmten „Point of no return“ nicht übersehen!
8. Wie sehen Sie die KEG heute? Was wünschen Sie uns?
Die KEG ist heute wichtiger denn je. Ohne den anderen Berufsverbänden ihre Bedeutung und Anerkennung verwehren zu wollen: Die KEG ist wegen ihrer offenen christlichen Bindung ein Sonderfall in unserer Gesellschaft, die immer mehr und dabei immer schleichend von innen geistig und spirituell ausgehöhlt wird. Unser Wertesystem braucht dringend personale und öffentliche Stützsysteme. Es tut mir als Elternteil gut, wenn ich weiß, mein Kind wird von einem Lehrenden unterrichtet, der (die) sich öffentlich zu unseren christlichen Werten bekennt. Das ist ein Statement, das Sicherheit gibt und einen schützenden Rahmen für Lehrer und Schüler aufbaut.